Aragats: Warum du diesen 4000er nicht unterschätzen solltest

4000 Meter hoch ist der Aragats, der höchste Berg Armeniens. Überhaupt kein Problem. Das ist doch nicht mehr als ein netter Spaziergang. Und dann erwischte mich die Höhenkrankheit. Ein Erfahrungsbericht.
Tipp: Wenn du nach dem Lesen dieses Artikels trotzdem noch Lust hast, den Aragats zu besteigen, findest du am Ende des Artikel einige praktische Hinweise und den GPS-Track für die Tour.

Mein Puls rast wie verrückt. Ich schnappe nach Luft, aber irgendwie kommt nicht genug Sauerstoff an. Ich habe stechende Kopfschmerzen und der eisige Wind bringt mich zum Frösteln. Vor mir sehe ich den Gipfel des Aragats im Nebel, vielleicht noch 300 Meter bis zur Spitze – ganz nah, aber doch so weit entfernt.

Ich bin am Ende meiner Kräfte. Die Höhenkrankheit hat voll zugeschlagen. Letzte Nacht im Zelt habe ich so gut wie nicht geschlafen. Meine Augen fühlen sich an, als würden sie gleich aus dem Schädel quellen.

Ich weiß genau, was ich jetzt machen sollte: So schnell wie möglich runter vom Berg.

Aber so kurz vor dem Ziel kann ich doch nicht einfach so aufgeben…

Ausblick in den Aragats Vulkankrater.

Was ist der klassische Anfängerfehler? Klar…

Hätte mir am Tag vorher jemand gesagt, dass ich Probleme mit der Höhe bekomme hätte ich ihn wahrscheinlich ausgelacht. 4000 Meter… ist doch Pillepalle. Und Höhenkrankheit – das bekommt man vielleicht im Himalaya, aber nicht, wenn man mal kurz auf `nen kleinen 4000er hochkraxelt.

Bei so viel Hochmut war eigentlich klar, dass ich fällig für eine Lektion war. Und ich sollte sie bekommen.

Im Rückblick war die ganze Sache natürlich abzusehen, denn wir begehen den klassischen Anfängerfehler: Zu schnell zu hoch.

Start mit dem Lada in Yerevan.
Alles in Butter als wir in Yerevan starten.

Am Vortag bin ich mit meinem Wanderkumpanen Olli in unserem gemieteten Lada in Yerevan gestartet. Die Hauptstadt Armeniens liegt in in einem brütend heißen Talkessel auf knapp 1000 Metern über dem Meeresspiegel. Es ist August, Hochsommer in Armenien, und in Yerevan liegen die Temperaturen Mittags bei um die 40 Grad.

Olli hat mich spontan zu diesem 4-wöchigen Roadtrip in den Kaukasus eingeladen und ich habe kurzerhand zugesagt. Nach einer Woche Sightseeing in Yerevan bin ich jetzt aber eigentlich nur froh, endlich aus der Gluthitze der Stadt rauszukommen. Ab in die Berge und endlich mal wieder richtig durchatmen.

Kuhherde auf dem Weg zum Aragats.

2000 Höhenmeter an einem Nachmittag

In knapp 5 Stunden fahren wir Richtung Norden. Nach einem kurzen Zwischenstopp an der Burgruine von Ambert erreichen wir am Nachmittag unser Ziel für den Tag: Den K’ari Lich, einen kleinen Bergsee zu Füßen des Aragats und unser Ausgangspunkt für die Besteigung. Höhe über dem Meeresspiegel: 3280 Meter – also ein Höhenunterschied von über 2000 Metern, den wir in ein paar Stunden zurückgelegt haben.

Hier oben ist es merklich kühler. Vermutlich der Grund dafür, dass sich hier erstaunlich viele Leute rumtreiben, die wohl alle keine Lust auf die Backofentemperaturen in der Ebene haben.

Sogar ein kleines Restaurant gibt es hier und eine Art Forschungsstation. Ein großer grauer Komplex, der wohl noch aus Sowjetzeiten stammt und direkt einem James-Bond-Film entsprungen sein könnte. Die Anlage sieht verlassen aus, was die Touristen – fast alles Armenier und ein paar Russen – aber anscheinend nicht stört.

Die meisten laufen in T-Shirts herum, fahren auf Quad-Bikes über die grasbewachsenen Hügel in der Umgebung, einige springen sogar noch in den letzten Strahlen der Sonne in den See. Das ist mir dann doch ein bisschen zu kalt. Ich schlüpfe lieber in mein Merino-Shirt, ziehe mir die Fleecejacke über und lache insgeheim über die bescheuerten Russen, die bei diesen Temperaturen baden.

Auf der anderen Seite des Sees entdecken wir ein schönes Plätzchen für unser Zelt. Wir packen unsere Rucksäcke und ich nehme Klamotten, Essen und Ausrüstung für zwei Tage mit. Der Plan ist, eine Nacht hier unten zu bleiben, dann auf den Aragats zu steigen, dort zu übernachten und am nächsten Tag wieder runter zu laufen und weiter zu fahren.

Im Rückblick eigentlich ein guter Plan. Wenn da nicht diese eine Sache gewesen wäre.

Kari Lich Gebirgssee am Fuß des Aragats.

Unruhige Nacht im Basislager

Auf dem Weg zum Zeltplatz bemerke ich zum ersten Mal den Unterschied, den eine Höhe von über 3000 Metern machen kann. Als ich meinem Kumpel Olli etwas sagen möchte, bleibt mir auf einmal die Luft weg. Ich muss kurz stehen bleiben und erstmal wieder zu Atmen kommen. Als wir weitergehen, bin ich immer noch ziemlich kurzatmig.

Klar, ich bin ziemlich voll beladen und wir müssen über ein paar Steine kraxeln, aber ich sehe mich eigentlich als ziemlich gut trainiert an – und so was ist mir noch nie passiert.

Egal – wirklich viele Gedanken mache ich mir deswegen nicht. Nachdem wir angekommen sind und das Zelt aufgebaut haben, gibt’s erstmal ein schönes Abendessen vom Campingkocher und wir laben uns an der Wassermelone, die wir tatsächlich bis hier hoch geschleppt haben.

Das nächste Warnsignal kommt dann in der Nacht. Ich bekomme kein Auge zu und wälze mich unruhig hin und her. An Schlaf ist nicht zu denken, außerdem ist es hier oben für mein Schlaf-Quilt doch ziemlich kühl. In den frühen Morgenstunden dämmere ich dann doch irgendwann weg, aber wirklich erholsam ist die Nacht nicht.

Hochebene mit Aragats n der Ferne.

Ab in die armenischen Highlands

Wie dem auch sei. Unser Plan steht. Denke ich zumindest. Wir stehen früh auf, machen uns ein herzhaftes Outdoor-Frühstück und nach einem frisch gebrühten Kaffee geht’s zumindest mir ein bisschen besser. Ich hab zwar ziemliche Kopfschmerzen, aber die werden an der frischen Luft und mit ein bisschen Bewegung schon weggehen.

Mein Kumpel Olli ist nach der Nacht im Zelt allerdings nicht wirklich in Hochform. Irgendwie scheint ihm die Höhe auch ein bisschen zuzusetzen und er hat keine Lust den ganzen Kram auf den Berg zu schleppen und da oben zu zelten.

Wir einigen uns darauf, unser Zelt unten zu lassen, nur mit kleinem Gepäck hochzulaufen und dann einfach am Abend wieder runterzukommen. Ein bisschen Schade finde ich es schon, aber immerhin nehmen wir dann den Gipfel noch mit.

Aragats: Der höchste Berg Armeniens ist ein alter Vulkan

Von den wenigen Infos, die ich vorher im Internet gefunden habe, weiß ich, dass der Aragats ein alter Schichtvulkan ist und insgesamt vier Gipfel hat. Drei davon sind allerdings relativ schwierig erreichbar und nur mit Seil und/oder Bergsteiger-Ausrüstung begehbar.

Genau deswegen haben wir uns auch für den südlichen Gipfel entschieden. Der knapp 10 km lange Weg dorthin führt in einem relativ sanften Anstieg über die Hänge, nur im letzten Stück wird es ein wenig steiler.

Der Gipfel ist genaugenommen auch nur 3890 Meter hoch. Nicht ganz die Viertausender-Marke, aber letztlich geht es mir dann doch eher um das landschaftliche Erlebnis, als darum eine willkürliche Marke zu knacken.

Nach dem Frühstück geht’s los. Die ersten Touris sind schon wieder mit ihren Quad-Bikes unterwegs und fahren durch die Gegend. Wir lassen den See hinter uns und machen uns auf den Weg über die Hochebene zum südlichen Gipfel des Aragats.

Ausblick vom Aragats.

Die Landschaft ist in ihrer unfassbaren Weitläufigkeit atemberaubend. So weit man blickt, sanft ansteigende, grasbewachsene Hügel, die immer wieder von Geröllfeldern durchzogen werden. Riesige Talsenken, in denen sich der Blick verliert und im Hintergrund immer gut sichtbar die schneebedeckten Ausläufer des Aragats, die über den Weiten des armenischen Hochlands thronen.

Einen richtigen Weg, geschweige denn Markierungen oder Wegweiser, gibt es hier nicht, wie wir schnell feststellen, höchstens kaum erkennbare Trampelpfade, die irgendwann im Nirgendwo enden. Das Ziel verfehlen kann man aber trotzdem nicht – man bahnt sich einfach seinen Weg durch die Landschaft und behält den Gipfel im Blickfeld.

Wege und Markierung reine Glückssache

Zur Sicherheit haben wir uns einen GPS-Track aufs Handy gezogen, aber wirklich verlässlich ist die Route nicht. Wahrscheinlich werden die Trampelpfade nach jedem Regen weggeschwemmt und vom dem was ich gehört habe, sollen die Unwetter in dieser Region schnell und bösartig zuschlagen. Die Orientierung nach Augenmaß funktioniert hier eindeutig besser.

Glücklicherweise ist das Wetter im Moment stabil. Es ist zwar ein wenig bewölkt, aber das stört mich nicht. Schlimmer finde ich, dass meine Kopfschmerzen einfach nicht weggehen wollen. Vielleicht, denke ich mir, liegt es an der Anstrengung. Die Strecke ist weder besonders steil, noch besonders schwierig, abgesehen von den Geröllfeldern, die wir ab und an durchqueren.

Trotzdem spüre ich jeden einzelnen Schritt und mein Rucksack lastet schwer auf meinen Schultern.

Meinem Wanderkumpanen geht es nicht besser. Mühsam schleppt er sich den Weg entlang und ist mindestens genauso froh über jede kleine Pause wie ich. Und als wir einen steilen Ausläufer überqueren – wir nähern uns der Südwestflanke des Berges – bietet sich uns die perfekte Gelegenheit.

In der Ferne zieht eine riesige Kuhherde, durch das Tal unter uns. Zwischen den Tieren erkennen wir undeutlich ein paar Gestalten auf Pferden und wir winken ihnen herüber. Die Antwort folgt prompt: Die Schemen lösen sich von der Herde und galoppieren auf uns zu.

Kuhherde am Aragats.

Tausche iPhone gegen Pferd

Nach ein paar Minuten sind die Hirten bei uns, schwarzhaarige Männer mit wettergegerbten Gesichtern, die auf gedrungenen Ponys reiten und uns neugierig anstarren. Wirklich verständigen können wir uns leider nicht. Keiner von uns spricht Armenisch und mit Englisch kommt man in den ländlichen Regionen Armeniens nur im absoluten Ausnahmefall weiter.

Als wir zum Aragats zeigen und ihnen erklären, dass wir auf den Gipfel wollen, nicken sie nur und lachen. Einen Berg besteigen – das versteht man in jeder Sprache.

Danach geht es dann aber gleich zum Geschäftlichen über: Irgendwie entdeckt einer der Hirten mein iPhone und auch ohne Armenisch-Kenntnisse verstehe ich, dass er es haben möchte.

Ich lehne dankend ab, aber so leicht lässt er nicht locker. Er bietet mir sein Pferd dafür an und als ich immer noch nicht will, ein weiteres Pferd. Einerseits finde ich die Vorstellung eines solchen Handels zwar ganz witzig, andererseits kann ich ja schlecht auf zwei Pferden nach Deutschland zurückreiten.

Ich rede mich ziemlich lahm mit Hilfe meiner Hände und Füße heraus, indem ich ihm erkläre, dass ich die Route zum Berg auf dem Handy habe und es deswegen auf keinen Fall weggeben kann.

Ich reite auf einem Pferd.

Scheinbar ist diese Entschuldigung akzeptabel. Er ist nicht nachtragend und lässt mich zum Schluss sogar nochmal auf seinem Pferd reiten – nur fotografieren lassen wollen sich die Hirten nicht. Wir verabschieden uns und machen uns wieder auf den Weg.

Letzter Anstieg zum Aragats

Der Südgipfel ist jetzt schon ziemlich nah und wir lassen die grasbewachsene Ebene endgültig hinter uns. Vor uns erstrecken sich ausgedehnte Geröllhalden, zwischen denen man jetzt auch recht deutlich einen ausgetretenen Gebirgspfad erkennen kann. Der Weg wird steiler und schlängelt sich in Serpentinen die Abhänge hinauf. In zahlreichen Kuhlen an den Hängen liegt immer noch Schnee.

Weit über uns erkenne ich, wie der letzte Teil des Anstiegs über eine gewaltige Rampe führt, Nebelschwaden auf beiden Seiten. Wir haben es fast geschafft!

Das Gespräch mit den Hirten hat mich ein bisschen abgelenkt, aber jetzt kommen die Erschöpfung und die Kopfschmerzen mit voller Kraft zurück. Der schotterbedeckte Boden ist rutschig und meine Beine fühlen sich wie Blei an. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht vorankomme und muss ständig aufpassen nicht wegzurutschen.

Alle paar Minuten bleibe ich stehen und hole keuchend Luft. Und der verdammte Gipfel will einfach nicht näherkommen.

Wieso ist das so schwer?

Irgendwie kann ich es nicht fassen. Normalerweise würde ich so einen Weg einfach hochmarschieren, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Schön zackiges Tempo eingelegt, damit man schneller oben ist und sich an der schönen Aussicht erfreuen kann. Aber hier komme ich nicht von der Stelle, so als mein Körper plötzlich drei Gänge runtergeschaltet hätte und einfach keine Lust mehr hat.

Am Aragats blühen gelbe Blumen.

Stehenbleiben ist aber auch keine Option. Inzwischen ist ein eisiger Wind aufgekommen, der meine Zähne zum Klappern bringt und mir die Pausen versauert. Dann doch lieber weiterlaufen und die Kopfschmerzen irgendwie ertragen.

Eine gefühlte Ewigkeit später stehe ich endlich an der Rampe kurz vor dem Gipfel. Mein Kumpel ist weit zurückgefallen und schleppt sich irgendwo weiter unten den Abhang hinauf. So ungern ich es mir selbst eingestehe: Ich spüre deutlich, dass ich nah am Limit bin und nicht mehr viel geht.

Die Kopfschmerzen sind inzwischen so stark, dass es mir vorkommt, als würde jemand mit einem großen Hammer auf meine Schläfen klopfen. Mein Mund ist trocken, mein ganzer Körper total ausgedörrt. Meine Augen fühlen sich viel zu groß für meinen Schädel an und wollen am liebsten gleich herausquellen. Auch ohne die heftigen Windböen ist mir bitterkalt.

Und dann kommt die Höhenkrankheit…

Und dann kommt es mir: Du hast die Höhenkrankheit.

Die Symptome sind eigentlich relativ eindeutig, zumindest soweit ich das mit meinem bis dahin relativ begrenzten Wissensstand sagen kann: Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Erschöpfung.

Was ich außerdem noch weiß: Sobald man diese Symptome spürt, gibt es nur eine sinnvolle Verhaltensweise. So schnell wie möglich runter vom Berg.

So kurz vor dem Ziel – und jetzt einfach umdrehen?

Zeit, eine Entscheidung zu treffen.

In Wirklichkeit ist es aber gar keine Entscheidung. Ich weiß genau, dass irgendwie ich auf den Gipfel komme. Ich habe mich nicht die letzten 5 Stunden hochgequält, um jetzt direkt vor der Ziellinie umzudrehen. Auch wenn es vielleicht bescheuert ist, aber da habe ich auch einen sportlichen Ehrgeiz.

Ich rede mir selbst ein, dass es schon nicht so schlimm mit ist und mache mich wieder auf den Weg. Kurz vor dem Gipfel treffe ich die ersten anderen Personen auf dem ganzen Weg – eine Gruppe deutscher Backpacker, die deutlich fitter und schon wieder auf dem Rückweg sind.

Ein paar Minuten später bin ich dann endlich oben und als ich meinen Blick über den erloschenen Krater schweifen lasse, weiß ich: Es hat sich gelohnt.

Der Westgipfel des Aragats.

Endlich auf dem Gipfel… und es hat sich gelohnt

Von hier oben werden die Ausmaße des Aragats erst einmal richtig deutlich. Der Krater ist riesig und bietet selbst in erloschenem Zustand ein beeindruckendes Bild. Im Licht der Nachmittagssonne wirken die kahlen Hänge in einen Moment rötlich-braun, im nächsten dunkelgrau, dann wieder schneeweiß. Ich habe gar nicht gewusst, dass Fels so viele verschiedene Farbtöne haben kann.

Die vier Gipfel sitzen wie schweigende Wächter auf jeder Seite des Talkessels. Der höchste Punkt befindet sich ein gutes Stück nordwestlich und ist nur über einen steilen Grat zu erreichen. In unserem jetzigen Zustand steht das aber völlig außer Frage.

Die Hänge sehen von hier oben fast glattgeschliffen aus und ich stelle mir für einen Moment vor, was für einen Anblick dieser Vulkan wohl zu seinen aktiven Zeiten abgegeben hat.

Ehrfürchtig lasse ich den Blick über den Talkessel schweifen und fühle mich auf einmal ganz klein. Meine Strapazen sind zumindest für einen Moment vergessen. Kurze Zeit später kommt dann auch mein Kumpel und wir ruhen uns für ein paar Minuten zwischen den Felsblöcken aus, genießen den Moment, versuchen den eisigen Wind zu verdrängen, der hier oben weht.

Gipfelkreuz am Aragats.

Viel Zeit bleibt uns aber nicht. Die Wolkendecke zieht sich zu und der Himmel verdüstert sich. Regen liegt in der Luft. Keiner von uns hat Lust, in einem Unwetter den ganzen Weg wieder herunterzulaufen, vor allem in unserem miserablen Zustand. Wir werfen einen letzten Blick in den Krater verabschieden uns vom höchsten Gipfel Armeniens und machen uns auf den Rückweg.

Gerade noch rechtzeitig wieder runter vom Berg

Der Abstieg fällt mir deutlich leichter und wir brauchen vielleicht die Hälfte der Zeit, bis wir wieder in unserem Camp am See sind. Keine Minute zu früh: Während ich noch das Zelt öffne, fallen die ersten Regentropfen und wir können uns gerade noch ins Innere retten, bevor das Unwetter losbricht.

Eigentlich war der Plan, dass wir uns noch ein paar Nudeln kochen. Wirklich motivieren können wir uns dazu aber nicht. Ich verdrücke einen Müsliriegel, ziehe mir die Klamotten aus und haue mich erschöpft auf die Isomatte.

Eigentlich müsste ich nach einem solchen Tag direkt in einen traumlosen Schlaf fallen und bis zum nächsten Morgen durchknacken. Keine Chance. Während ich vergeblich versuche einzuschlafen, bricht der Sturm des Jahrhunderts über uns herüber.

Ich hatte ja im Vorfeld schon gelesen, dass die Unwetter im armenischen Bergland heftig sind, aber das ganze selbst mitzuerleben, ist dann doch noch mal was ganz anderes. Die dicken Regentropfen prasseln lautstark wie Hagelkörner auf die Zeltdecke. Die Donnerschläge hallen ohrenbetäubend laut über den See und bei jedem Blitz wird das Zeltinnere taghell beleuchtet. Windböen peitschen über das Außenzelt und ich mache mir ernsthaft Sorgen, dass wir gleich wegfliegen.

Wirklich eine Wahl haben wir aber nicht. Rausgehen steht außer Frage. Das einzige was uns bleibt, ist uns einzumummeln und zu warten, dass der Sturm irgendwann abflaut. Immerhin sind wir nicht der höchste Punkt. Direkt neben uns erhebt sich ein gewaltiger Hügel aus Geröll und ich kann mich erinnern, am Morgen ein eisernes Kreuz auf dem Gipfel gesehen zu haben.

Ich kann nur hoffen, dass der Blitz sich auch daran erinnert, wenn er einschlägt.

Der Berg Ararat.
Nicht verwechseln: Der Ararat war früher der höchste Berg Armeniens gehört heute aber zur Türkei.

Der Tag danach

Am Ende passiert dann aber nichts weiter. Der Sturm wird schwächer und irgendwann kann ich dann auch einschlafen. Als ich am nächsten Morgen aus dem Zelt krabbele, stelle ich erleichtert fest, dass alles gehalten hat und das Innere komplett trocken geblieben hat. Den ersten echten Härtetest hat das Hubba Hubba NX damit also wohl bestanden.

Vom Unwetter der letzten Nacht ist nichts mehr zu sehen. Der wolkenlose Himmel strahlt in der Morgensonne und leuchtet im schönsten Hellblau. Meine Kopfschmerzen sind auch weg. Alles nochmal gut gegangen.

Als ich mir das Frühstück mache, lasse ich den gestrigen Tag nochmal Revue passieren.

Weiter hoch zu gehen, obwohl es mir schon schlecht ging, war wahrscheinlich nicht die schlaueste Aktion. Ob ich deswegen in Lebensgefahr war? Schwer zu sagen, aber ich glaube eigentlich nicht. Ich habe mich zwar ziemlich miserabel gefühlt, aber das kann einfach daran liegen, dass ich bisher noch nie einen Anflug von Höhenkrankheit hatte.

Ich stehe auf und versuche den Gipfel des Aragats am Horizont ausfindig zu machen. In der klaren Luft kann man kilometerweit sehen, aber von hier unten ist der höchste Berg Armeniens nur ein winziger Fleck, der in den Weiten des Hochlandes verschwindet. 

Ich setze mich mit einem Lächeln wieder hin. Ich habe meine Lektion gelernt.

Praktische Tipps zur Aragats-Besteigung

Eigentlich ist die hier beschriebene Tour auf den Aragats halb so wild. Unser einziger Fehler war, zu schnell auf eine zu große Höhe zu fahren und dann nicht ausreichend zu akklimatisieren. Wenn du darauf achtest, kann eigentlich nichts schiefgehen. Und wenn du ein Fan von weiten Steppenlandschaften bist, wirst du diese Wanderung lieben.

Anreise zum Aragats

Der Aragats befindet sich knapp 70 Km nordwestlich von Yerevan. Startpunkt der Tour ist die Aragats Cosmic Ray Research Station. An dieser alten sowjetischen Forschungsstation gibt es einen Parkplatz, sowie ein Hotel mit Zimmern und einem Restaurant. Die meisten Armenier haben aber einfach wildgecampt.

Die Anfahrt klappt am besten mit dem Auto. Busse fahren nicht in das Hochland, eine Alternative sind Sammeltaxis oder geführte Touren von Yerevan.

Beachte, dass du in relativ kurzer Zeit von 1000 auf über 3200 Meter fährst. Falls du Kopfweh bekommst, Kurzatmigkeit verspürst oder andere Symptome einer aufziehenden Höhenkrankheit verspürst, solltest du erstmal einen Tag Pause machen und nicht gleich weiter auf den Gipfel. Hier findest du einen ausführlichen Artikel zum Thema Akklimatisierung. Den hätte ich mir vorher lieber auch mal durchgelesen…

Karte und GPS-Track

Hier kannst du dir die Route mit dem GPS-Track zum Südgipfel des Aragats herunterladen. Alternative Routen findest du bei Wikilocs.

Strecke

Die Strecke zum Südgipfel des Aragats ist eine knapp 10 Km lange Rundwanderung ohne besondere technischen Schwierigkeiten oder Absturzgefahr. Der Weg ist teilweise etwas schlecht zu erkennen, vor allem weil einige Geröllfelder durchquert werden müssen. In dem offenen Gelände ist es aber kein Problem, die richtige Richtung zu finden. Wenn du dich dem Berg näherst, siehst du einen deutlichen Pfad den Hang hinauf.

Die anderen Gipfel habe ich nur von Weitem gesehen. Der Westgipfel sah aber auch noch ohne spezielle Ausrüstung machbar. Für den 4090 Meter hohen Nordgipfel wird Kletterausrüstung und Absicherung mit Seilen empfohlen, da man sich hier in Absturzgelände bewegt.

Mitbringen

Abgesehen von dem Hotel und dem angeschlossenen Restaurant am K’ari-See gibt es keine Möglichkeit Vorräte zu kaufen. Bring Essen und Getränke also am besten vorher aus Yerevan oder einer anderen größeren Stadt mit. Das Wasser aus dem See würde ich nicht trinken, da in der Nähe Kuhherden und Pferde herumziehen.

Weiterhin empfehlenswert sind warme Klamotten, ein guter Schlafsack und ein wasserdichtes Zelt, falls du Campen möchtest. Selbst im Hochsommer hatten wir auf über 3000 Meter nachts Temperaturen um den Gefrierpunkt. Heftige Regenschauer und Gewitter sind auch keine Seltenheit, sondern eher die Regel. Wildcampen ist kein Problem. Wir haben sehr viele Armenier getroffen, die das genau so machten.

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