Tipp: Ich habe einen umfangreichen Guide für die Vulkantour auf Ambrym geschrieben. In dem Artikel bekommst du alle Infos zu Kosten, Anreise, Unterkünften und wie du die Tour selbst vor Ort organisieren kannst.
Manche Orte üben allein mit ihrem Namen eine magische Anziehungskraft aus. In meinem Fall war die Insel Ambrym so ein Ort. Als ich den Namen das erste Mal höre, tauchen Bilder von schwülen Nächten im Dschungel vor meinem inneren Auge auf. Grob geschnitzte Voodoo-Masken. Menschenopfer.
Und so ganz falsch liege ich damit auch nicht.
Ambrym: Die Insel der schwarzen Magie
Ambrym wird in Vanuatu die „Insel der schwarzen Magie“ genannt. In einigen abgelegenen Dörfern tief im Busch soll es Hexenmeister geben, die übernatürliche Kräfte haben. Diese Schamanen, so heißt es, können sich unsichtbar machen oder wie durch Geisterhand von einem Ort zum anderen reisen, ohne sich zu bewegen.
Vorher muss aber ein Opfer dargebracht werden. Ein Menschenopfer.
Als mir einige Einheimische bei einer abendlichen Kava-Runde auf der Nachbarinsel Espiritu Santo davon erzählen, finde ich das sehr unterhaltsam. Der eigentliche Grund, warum ich Ambrym so faszinierend finde, ist aber die einzigartige Landschaft im Inneren der Insel.
Auf einem schwer zugänglichen Hochplateau über dem immergrünen Dschungel erstreckt sich eine riesige Ebene aus vulkanischer Asche. Im Zentrum davon liegen die aktiven Vulkane Benbow und Marum. Beide haben in ihrem Inneren Lava-Seen – eine Seltenheit, die man nur an wenigen Orten auf dieser Erde zu Gesicht bekommt.
Meine Entscheidung steht schnell fest: Ich muss nach Ambrym.
Anreise mit Hindernissen
Aber die Reise startet unter keinem guten Stern. Der Flug aus der Hauptstadt Port Vila verzögert sich um viele Stunden. Als wir uns endlich dem winzigen Flughafen Craig Cove an der Westküste von Ambrym nähern, kommt ein heftiges Unwetter auf. Schwarze Sturmwolken versperren die Sicht und machen eine Landung der kleinen Propellermaschine unmöglich.
Vergeblich dreht der Pilot einige Runden und kehrt dann nach Vila zurück. Dort wartet direkt die nächste Enttäuschung auf mich: Der nächste Flug geht erst in 2 Tagen. Fast scheint es so, als würde sich die Insel aber gegen den weißen Besucher aus dem Westen zu sträuben.
Ist vielleicht doch etwas an den Geschichten dran…?
So schnell gebe ich mich aber nicht geschlagen. Und ich habe Glück im Unglück. Ein freundlicher Einheimischer am Flughafen verrät mir, dass noch am gleichen Abend eine Fähre nach Ambrym übersetzt. Perfekt! Ich wollte sowieso nochmal wie die Einheimischen reisen.
In Wirklichkeit ist das Erlebnis weit weniger abenteuerlich, als ich mir das ausmale. Vanuatu Ferry betrachtet Fahrpläne offenbar nur als lästige Formalität und lässt uns geschlagene 6 Stunden am Pier warten, bis die Reise losgeht.
Als ich im nächsten Vormittag ziemlich gerädert in der palmengesäumten Bucht von Craig Cove ankomme, haben sich meine Träume von abenteuerlichen Seereisen in Luft aufgelöst. Aber immerhin bin ich meinem Ziel ein ganzes Stück näher gekommen.
Zu Gast beim Pastor von Craig Cove
Die nächsten 2 Tage vergehen mit Warten. Der Eigentümer meiner Unterkunft, Sam, will mir zwar einen Führer organisieren, aber zuerst warten andere Aufgaben auf ihn. Sam, so stellt sich heraus, ist nämlich gleichzeitig Pastor des kleinen Dörfchens Craig Cove und ein hohes Tier in der christlichen Hierarchie der Insel.
Die meiste Zeit fährt er mit seinem überraschend modernen und blitzblank saubergeputzten Truck von Dorf zu Dorf, immer das Handy am Ohr, um das Wort des Herrn im Dschungel zu verbreiten. Der Rest des Familienclans verbringt die Zeit damit, am Kassettenrecorder gewissenhaft Tänze für den allabendlichen Gottesdient einzustudieren.
Zunächst muss ich noch schmunzeln, wenn Sam mal wieder vorbeifährt und ich den dicken Schriftzug „Kingdom Warriors“ auf der Windschutzscheibe des Trucks sehe. Aber ich beginne bald zu verstehen. Religion ist hier keine Nebensache, sondern ein wichtiges Mittel, um den sozialen Zusammenhalt der verstreuten Gemeinden auf der kleinen Insel zu sichern.
Und Sam nimmt seine Pflichten sehr ernst.
Nur der Herr ist zu bedingungsloser Liebe fähig, erklärt er mir eindringlich, als wir am zweiten Abend im trüben Licht einer Solarlampe vor seiner Hütte sitzen. Die alten Buschgötter sind rachsüchtig und verlangen für jeden Gefallen eine Gegenleistung in Form von Blut. Ich verkneife mir einen schnippischen Kommentar. Mein aufgeklärtes Weltbild wirkt hier im Dschungel fehl am Platz.
Trekking durch den Regenwald von Ambrym
Am nächsten Morgen wache ich im strahlenden Sonnenschein auf, der keine Gedanken an böse Geister zulässt. Die Kinder laufen putzmunter zwischen den Hütten herum und machen sich einen Spaß daraus, mit ihren Steinschleudern Papaya-Früchte vom Baum zu schießen.
Nach einem Frühstück aus gebackenen Brotfrüchten geht es dann endlich los. Timothy, der Sohn von Sam, fährt mich mit dem Pickup ins Dorf Port Vato im Osten der Insel. Dort sammeln wir Guide Talie und den Träger Philip ein. Das letzte Stück der Fahrt führt über eine Aschepiste durch den dichten Regenwald, dann halten wir in einer Sackgasse an.
Wir steigen aus und Talie deutet auf eine überwucherte Felswand, die einige Meter fast senkrecht durch den Dschungel ansteigt. Den Weg muss man sich dazu denken und ich muss kurz schlucken. Aber immerhin wartet oben ein Lavasee als Belohnung auf uns. Dafür nimmt man schon mal ein paar Hindernisse in Kauf.
Auf Lavarinnen durch den Dschungel
Die folgende Klettertour in der schwülwarmen Luft ist anstrengend, dauert aber nicht lange. Schon nach ein paar Minuten sind wir oben. Der Rest des Weges verläuft gemächlich ansteigend in einer alten Lavarinne. Wir kommen gut voran.
Trotzdem bin jedes Mal dankbar, wenn die Bäume zu beiden Seiten dichter werden und wir wie in einem Tunnel durch den Wald laufen. Es ist wahnsinnig heiß und schon nach ein paar Kilometern fühlt sich mein T-Shirt wie ein nasser Lappen an, der über meinen Rücken scheuert.
Ich blicke mich um. Philip, der schwer beladene Träger trägt mein Zelt, Wasserflaschen und das Essen. Er hüpft wie eine Gazelle über die großen Steinbrocken, die im Weg liegen und sieht nicht im geringsten so aus, als ob das ganze irgendwie anstrengend ist.
Guide Talie stapft ebenfalls munter voraus. Es wirkt, als ob er die Strecke schon so oft gelaufen ist, dass er den Weg auch mit verbundenen Augen finden würde. Als ich ihn frage, bestätigt er meine Vermutung.
Das letzte Mal ist er vor 2 Tagen mit einem Amerikaner hier oben gewesen. Der hat aber nicht auf der Ascheenene übernachtet, sondern ist schon am gleichen Abend wieder heruntergestiegen. Ich staune, aber er zuckt nur grinsend mit den Schultern. „I have strong legs“. Übermorgen wartet schon der nächste Kunde.
Talie will aber nicht ewig Guide bleiben verrät er mir. Nächstes Jahr will er seinen eigenen Campingplatz auf der Ascheebene eröffnen. Er hat sogar schon angefangen, Bäume für die Hütten zu fällen und sich Gedanken über die Preise gemacht.
Geschäftstüchtig wie er ist, rührt er schon mal die Werbetrommel. Sein Platz ist natürlich viel preiswerter. Das nächste Mal, wenn ich auf Ambrym bin, soll ich mich direkt an ihn wenden. Klar, antworte ich ihm mit einem Grinsen.
Beim nächsten Mal. Ist ja nicht so, dass Ambrym weit weg ist…
Ankunft an der Ascheebene
Während wir weitergehen wird es merklich kühler. Der Pfad wird steiniger und immer unwegsamer. Schließlich machen wir an einer besonders schmalen Stelle halt. Vor uns liegt ein steiler Abhang, weiter oben sehe ich Nebelschwaden über die Felsen wabern.
Laut Talie folgt jetzt der schwierigste Teil des Anstiegs. Die nächsten 30 Minuten geht es steil bergauf, dann haben wir unser Ziel erreicht, die Campsite am Rand der Ascheebene.
Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst und lasse meinem Führer den Vortritt. Zum Glück ist das letzte Stück dann doch nicht so schlimm. Die Steine werden zwar mit jedem Schritt rutschiger aber sogar mit meinen Wandersandalen finde ich immer einen festen Halt.
Eine letzte Kuppe, dann bleibt der Dschungel endgültig hinter uns zurück. Wir finden uns in einer schmalen Senke am Rand der Caldera wieder. Eine dichte Wolkendecke bedeckt den Himmel. Vor uns schwarze Aschedünen. Fußspuren auf dem Boden verraten uns den Weg zum Camp.
Das Lager entpuppt sich als kleiner Unterstand aus Bambus und Palmenblättern. Ein paar Holzbalken, zwei Tische und eine Kuhle zum Feuermachen bilden die Küche. Wer sich waschen will, darf die Regentonne benutzen, die etwas verloren neben dem Verschlag steht.
Kalte Rauchschwaden wabern über der Feuerstelle. Wir sind nicht die einzigen im Lager. Wie sich herausstellt ist noch ein anderer Tourist aus Deutschland hier oben. Sören kommt zufällig auch aus Brandenburg und hat auf seiner Südseereise einen Zwischenstopp in Ambrym eingelegt.
Ein paar Minuten freuen wir uns darüber, wie klein die Welt ist. Dann mache ich mir Gedanken, wie ich den Rest des Tages verbringe. Es ist erst halb drei nachmittags, aber laut Talie ist es schon zu spät, jetzt noch zum Vulkan aufzubrechen.
Auf eigene Faust durch die Ascheebene
Der Anstieg durch den Dschungel war zwar anstrengend, aber nur bis zum Abendessen im Lager sitzen, will ich auch nicht. Also baue ich schnell mein Zelt auf und mache mich auf, die Ascheebene auf eigene Faust zu erkunden.
Talie begleitet mich noch bis zur Kuppe der Dünen und warnt mich, dass ich mich nicht zu weit vom Lager entfernen soll. „Very easy to get lost, man.“ Er deutet auf die karge Lanschaft, die sich vor uns erstreckt. „There’s only ash.“
Ich versichere ihm, dass ich keine Dummheiten mache und verabschiede mich, während ich die Aschedünen herunterstapfe.
Schon nach wenigen Augenblicken finde ich mich in einer faszinierenden Landschaft wieder. Eine riesige wüstenähnliche Ebene breitet sich vor mir aus. Nur besteht der Boden eben nicht aus Sand, sondern aus feiner Asche. Nebelschwaden ziehen durch die Luft. Ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht mehr auf der Erde befinde, sondern über die Oberfläche eines fremden Planeten laufe.
Einige Eindrücke vom ersten Tag meiner Tour. Das Wetter war leider ziemlich diesig, aber das ist den Guides zufolge auf der Ascheebene normal, vor allem am Nachmittag. Klicke zum Vergößern auf die Bilder.
In der Caldera von Ambrym
Unser Camp liegt am südwestlichen Rand der Ascheebene von Ambrym. Wobei „Ebene“ eigentlich gar nicht das richtige Wort ist. In Wahrheit ist der Mittelpunkt der Insel ein flacher Kessel. Die 12 km durchmessende Caldera ist das Ergebnis einer gigantischen Explosion, die vor gut 2000 Jahren den oberen Teil der Insel wegsprengte und in sich zusammensacken ließ.
Ich schaue mich um. Direkt vor mir liegen weite Aschefelder, die sich bis zu einem riesigen Geröllfeld östlich von mir ziehen. Im Norden erkenne ich schwach die Umrisse der beiden aktiven Krater Benbow und Marum im Nebel. Sind das Rauchwolken oder nur Nebel? Im Dunst kann ich es nicht klar erkennen, aber ich vermute eine Mischung aus beiden.
Ich kneife die Augen zusammen und versuche die Vulkane besser auszumachen. Die Kegel sind flach und langgezogen und sehen überhaupt nicht so aus, wie man sich einen klassischen Vulkan vorstellt. Vermutlich, so erinnere ich mich, liegt das daran, dass die ganze Insel ein einziger großer Vulkan ist. Diese beiden Krater sind nur die derzeit aktivsten Schlote.
Auch in der Aschewüste gibt es Leben
Der Himmel ist inzwischen vollständig zugezogen. Die Wolkenfetzen hängen tief und scheinen fast den schwarzen Boden berühren. Obwohl die Asche unter meinen Füßen warm ist, fröstelt es mich in der feuchten, klammen Luft.
Während ich weiter nach Osten laufe, wird der Pflanzenbewuchs dichter. Gräser sprießen aus dem Boden, kleine Palmstauden klammern sich an die Hänge der Dünen und in der Asche wachsen sogar Blumen. Trotz Säureregen, Aschewolken und giftigen Dämpfen versucht die Natur auch an einem so unwirtlichen Ort Fuß zu fassen. Offenbar gar nicht so erfolglos.
Staunend klettere ich durch flache Gräben, die sich durch die Ebene ziehen und im Nebel verschwinden. Fast wie eine Wattlandschaft mit Salzwiesen und Prielen. Die Rinnen wurden wahrscheinlich vom Regenwasser geformt, das an den Kraterhängen kondensiert und dann in die Ebene strömt. Oder sind es vielleicht doch alte Lavaflüsse?
In diesem Moment merke ich, wie still es um mich herum geworden ist. Außer dem leisen Pfeifen des Windes ist kein Laut zu hören. Kein anderen Stimmen, kein Vogelzwitschern, keine Insekten. Fühlt es sich so an, wenn man auf dem Mond herumläuft?
Aber dann sehe ich in der Entfernung ein kleines weißes Gebäude. Erleichterung. Ich bin doch noch auf der Erde.
Jederzeit ein Ausbruch möglich
Der Schuppen stellt sich als vulkanologische Messstation heraus. Träger aus Metall sind in Abständen von einigen Metern im Boden um das Betonhäuschen versenkt. Kabel führen ins Innere der Station. Dort befindet sich vermutlich ein Computer, der die Daten an das Zentrum in der Hauptstadt Port Vila sendet.
Die Messtation ruft mir in Erinnerung, an was für einem Ort ich mich eigentlich gerade befinde. Hochgradig aktives, vulkanisches Terrain. Die beiden Kegel Benbow und Marum sind nur die größten sichtbaren Krater. Potentiell ist aber die gesamte Ascheebene eine Gefahrenzone.
Im Moment herrscht zwar Totenstille, aber der Eindruck täuscht. Unzählige kleinere Öffnungen und Risse führen ins Erdinnere. Unter mir arbeitet die Erde unermüdlich. Prinzipiell können in jedem Moment neue Spalten aufbrechen und Lava an die Oberfläche schleudern.
Ausbruch einer Lavafontäne auf der Ascheebene 2018, gefilmt vom Vulkan-Guide John Tasso:
Kein sehr beruhigender Gedanke. Immerhin liegt die letzte Eruption aber mehr als ein Jahr zurück. Der Vulkan wird schon nicht ausgerechnet in den paar Tagen ausbrechen, die ich auf der Insel verbringe. Damit habe ich für den ersten Tag dann aber auch genug gesehen und mache mich auf den Rückweg.
Ich erreiche die Stelle, wo ich den letzten Graben verlassen habe. Meine Fußspuren sind verschwunden, so als hätte sie der Boden verschluckt. Aber mit der Station in meinem Rücken habe ich einen Punkt, an dem ich mich orientieren kann. Zwei Stunden später bin ich wieder im Lager.
Es ist fast dunkel und auf dem Feuer dampft schon ein großer Topf Reis. Die Guides erzählen noch ein paar Gruselgeschichten, während sich Träger Philip Musikvideos auf seinem Handy anschaut. Kurze Zeit später bin ich in meinem Schlafsack und lasse die Eindrücke des heutigen Tages Revue passieren.
Es war nicht ganz leicht nach Ambrym zu kommen, aber bis jetzt hat es sich gelohnt. Und morgen wird bestimmt noch viel besser!
Hier geht es weiter zum zweiten Teil meiner Trekking-Tour auf Ambrym.
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