Ambrym: 2 Tage Trekking zum Vulkan Benbow – Erfahrungsbericht (Teil 2)

Zweiter Teil meiner Vulkan-Tour auf der Südsee-Insel Ambrym. Wir starten von unserem Camp am Rand der Ascheebene und machen uns auf zum Krater des Benbow. Dort steht eine Entscheidung an...

Tipp: Falls noch nicht geschehen, liest du hier den ersten Teil meiner Vulkan-Tour auf Ambrym. Ich habe außerdem einen umfangreichen Guide für die Vulkantour auf Ambrym geschrieben. Dort findest du alle Infos zu Kosten, Anreise, Unterkünften und Planung der Tour.

Die Nacht ist kurz, da wir schon um frühmorgens um 5 Uhr aufbrechen wollen. Wir haben viel vor. Zunächst geht es über die Ascheebene zum Krater des Benbow. Anschließend wollen wir zum „Small Marum“, einem der neueren Kegel in der Nähe des großen Marum.

Zum großen Krater des Marum zu gehen ist laut Guide Talie zu gefährlich. Der Weg über den Grat wurde bei der letzten Eruption teilweise verschüttet. 

Um 13:00 Uhr wollen wir wieder beim Camp sein, unsere Sachen packen und dann zurück durch den Dschungel nach Port Vato laufen. Geplante Ankunftszeit: 18:00 Uhr.

Ich überschlage kurz die Strecke:10 Stunden, etwas mehr als 20 km und knapp 400 Höhenmeter bis rauf zum Rand des Vulkans. Das sollte zu schaffen sein. Immerhin geht es zum Schluss nur noch bergab.

Zum Frühstück gibt es wie üblich Tee, Erdnuss-Butter und die auf Vanuatu allgegenwärtigen Breakfast-Cracker. Nach drei Wochen hängen mir die staubtrockenen Kekse ziemlich zum Hals raus. Aber ok, ich bin ja nicht wegen dem guten Essen hierhergekommen.

Die Tour zum Benbow startet in einem alten Lavafluss.
Zum Glück musste ich bei diesem Tagesausflug nur mein kleines Daypack mitnehmen.

Spaziergang durch die Aschewüste

Kurz nach halb sechs breche ich mit Talie auf. Vom Camp aus schlagen wir einen die Kurs ein, der uns in nordwestlicher Richtung durch die Ascheebene führt. Der Nebel ist heute nicht ganz so dicht und die Bergkette mit den Vulkanen scheint viel näher zu sein als gestern.

Ich frage Talie, ob man auch in den Krater des Benbow steigen kann. Er lacht nur. „Yes, if you are crazy enough.“

Auf mein Nachfragen erzählt er, dass man sich an einem Seil herunterhangeln kann. Vor ein paar Wochen hat er das mit einigen russischen Touristen gemacht. Hmm… wir haben zwar kein Seil, aber vielleicht geht es ja auch ohne. Aber zuerst müssen wir mal ankommen.

Langsam verändert sich die Landschaft. Zu unseren Seiten erheben sich immer mehr Aschehaufen. Die Hügel sehen fast künstlich aufgeschüttet aus, so als würden wir durch ein verlassenes Tagebauwerk laufen. Wir folgen dem Verlauf eines alten Lavaflusses und kraxeln einen der Hügel hinauf.

Als wir von einer Anhöhe herunterblicken, sieht man zum ersten Mal die gewaltigen Dimensionen. Unglaublich! Das „Flussbett“ hat ein mehrere hundert Meter breites Tal zwischen den Aschebergen geformt und schlängelt sich bis zum Horizont, wo es sich in den Weiten der Ascheebene verliert.

Um uns herum nur Stille, Nebelfetzen, fahles Licht, das kaum durch die Wolken durchdringt. Eine brütende Stimmung hängt in der Luft, so als ob wir über ein ehemaliges Schlachtfeld laufen.

Ich halte den Atem an. Was für eine apokalyptische Szenerie! Das ist wie die Aschewüste von Mordor aus „Herr der Ringe“ und der Wüstenplanet Dune in einem. Ich versuche mir auszumalen, wie es wohl aussieht, wenn rotglühende Lava durch die schwarzen Täler fließt.

Wanderung über die Ascheberge am Ausläufer des Benbow.
Der Weg zum Vulkan führt über riesige Aschehaufen an den Ausläufern des Kraters.

Aufstieg zum Benbow

Ein schmaler Weg führt steil zwischen zwei Hügeln durch, die vor uns aufragen. Ein Steinmännchen markiert den Weg. Klar – hier sind auch schon mal andere Leute gewesen. Aber in diesem Moment fühlt es sich so an, als wären wir die letzten beiden Menschen auf der Erde.

Das Laufen in dem weichen, brüchigen Untergrund wird schwieriger. Mit jedem Schritt versinken die Füße in der erkalteten Asche und mir kommt es vor, als würde ich durch zähflüssigen Teer waten.

Im Nebel erkenne ich den äußeren Kraterrand des Benbow nur schwach. Ein schmaler Pfad führt über die Aschehügel an seinen Flanken zum Rand. Zur besseren Orientierung steckt alle paar Hundert Meter ein Stock im Boden. Eigentlich überflüssig. Es gibt nur einen Weg, daneben geht es auf beiden Seiten 20 Meter steil abwärts. 

Auf den letzten paar hundert Höhenmetern wird der Weg immer schmaler. Ich konzentriere mich auf den Pfad und versuche nicht nach unten zu schauen. Das letzte Stück führt auf einem schmalen Grat direkt am Krater entlang. Ein dumpfes Grollen ertönt aus der Tiefe.

Dann sind wir da.

Nebel versperrt die Sicht in den Krater.
Am Rand des Vulkans versperrt dichter Nebel die Sicht.

Vulkan-Trekking im Nebel

Nach dem steilen Aufstieg habe ich mich darauf gefreut, einen Blick in den Krater zu werfen. Aber wir haben Pech. In den letzten Minuten ist es noch nebliger geworden und in den dichten, weißen Schwaden kann ich kaum 5 Meter weit sehen. 

Ich werfe einen Blick in den Vulkan. Der Krater muss riesig groß sein, auch wenn man im Nebel nur Schemen erkennt. Der Hang fällt in einem steilen Winkel von fast 45 Grad ab. Wie weit es nach unten geht, kann ich nicht sehen. 

Wir warten ein paar Minuten, dann wird klar: Von hier oben wird uns der Benbow heute keinen Blick gewähren. 

Es gibt nur eine Lösung: Wir müssen in den Vulkan rein.

Talie blickt nicht ganz überzeugt über den Rand des Kraters. Aber dann grinst er nur und meint: „Sure, let’s go. You are with volcano guide number one on Ambrym.“

Für den steilen Abstieg brauchen wir neben unseren Füßen vor allen die Hände. Der Hang ist steil und rutschig. Bei jedem Schritt gleitet uns der Boden unter den Füßen weg. Haltepunkte gibt es so gut wie keine und mir wird klar, warum andere Leute ein Seil nehmen.

Als ich mich an einem massiv aussehenden Vorsprung festhalten will, zerbröckelt der Stein in meinen Fingern zu feuchter Asche. Vorsicht! Hier will jeder Schritt gut überlegt sein.

Aber dann lichtet sich der Nebel und gibt den Blick auf das Innere des Vulkans frei. Wow! Es hat sich definitiv gelohnt hierherzukommen.

Blick in den Krater des Benbow-Vulkans.
Auf halber Strecke lichtet sich der Dunst und gibt den Blick auf das Innere des Vulkans frei.

Gewagter Abstieg in den Krater

Der Krater ist gigantisch groß. Wir befinden uns in einem riesigen Kessel, der nicht in einem Rutsch, sondern in mehreren Stufen abfällt. Die Dimensionen sind überwältigend. Im ersten Moment sieht es eher wie ein langgezogenes Gebirgstal aus und nicht wie ein Vulkan.

Der Hang auf dem wir gerade herunterklettern ist nur der äußere Rand des Kraters. Er endet gut 100 Meter unter uns an einer schmalen Terrasse, der ersten Stufe des Kraters. Dahinter führt der innere Schacht schwindelerregend steil in die Tiefe. 

Ganz klar: Da geht es runter zum Lavasee!

Die Terrasse unter uns verläuft entlang des westlichen Rands. Ziemlich genau in der Mitte davon durchbricht einen riesiger Einschnitt die Kraterwand, wie ein Tal oder ein Canyon. Ich würde gerne mal runterschauen, aber bei unserem Tempo muss es Stunden dauern, dort hinzukommen.

Als wir schon fast an der Terrasse angekommen sind, werden wir unerwartet aufgehalten. Vor uns stürzt eine Abbruchkante mehrere Meter fast senkrecht in die Tiefe und versperrt uns den Weg. Keine Chance, dass wir da ohne Seil herunterklettern. Selbst wenn die Steine nicht bei der kleinsten Belastung unter unseren Fingern zerbröseln würden, gibt es keinerlei Halt

Talie bleibt stehen und überlegt. Die Erde muss bei einer der letzten Eruptionen weggerutscht sein und hat unterhalb der Kante eine Art Graben gebildet, der vielleicht eineinhalb Meter breit und sechs Meter tief ist. Ich blicke herunter und sehe scharkantiges Lavagestein auf dem Boden des Grabens. Nebelschwaden wabern zwischen den Steinen. Oder sind das Dämpfe, die aus dem Boden steigen? 

Auf jeden Fall möchte ich nicht darunter.

Der steile Weg bis zur ersten Stufe des Vulkans.
Von unten sieht der Weg gar nicht so heikel aus, aber die Dimensionen auf dem Bild täuschen.

Denk nicht nach und spring einfach

Talie scheint eine Idee zu haben. Er deutet auf die andere Seite des Grabens. Durch die natürliche Neigung der Kraterwand liegt diese Stelle nicht ganz so tief unter uns, vielleicht zweieinhalb Meter. Außerdem ist der Boden dort mit weicher Asche bedeckt, wie mit einem Polster.

Ich weiß was Talie vorhat, noch bevor er es ausspricht: „We have to jump!“

Ich schüttele den Kopf. Es ist kein weiter Sprung, aber wenn irgendetwas schiefgeht, geht es mehrere Meter senkrecht abwärts. Und da unten ist keine Asche, sondern ein paar spitze Steine, die mir überhaupt nicht gefallen. 

Talie schaut mich grinsend an. „Come on, you walk good, no problem.“ Ich schaue an der Kante entlang. Irgendwo muss es doch eine Alternative geben. Aber da ist nichts. Die Erde ist in beide Richtungen sauber über mehrere Kilometer abgebrochen. Wenn wir einen Umweg nehmen, wird es viel zu spät.

Und damit wäre unsere kleine Spritztour an diesem Punkt vorbei.

Noch bevor ich weiter überlegen kann, ist Talie schon gesprungen. Lachend ruft er von der anderen Seite herüber. „See, it’s easy, come on man“. Ich zögere. Wäre ich ohne Guide unterwegs, wäre jetzt Punkt gekommen, an dem ich umdrehe. Keine Schande zuzugeben, dass man einer Situation nicht gewachsen ist.

Andererseits… ich bin um die halbe Welt geflogen, um die Vulkane von Vanuatu zu sehen. Und jetzt habe ich die einmalige Gelegenheit in den Krater eines der größten und aktivsten Exemplare zu klettern. Auf halber Strecke wieder umzudrehen, wäre schon eine ziemliche Ettäuschung.

Ich hole tief Luft, nehme Anlauf und versuche, nicht nach unten zu schauen. Dann springe ich.

Etwas unsanft lande ich auf der anderen Seite, aber die Asche fängt meinen Sturz genau wie geplant ab. Krass – ich lebe noch! Tali gibt mir lachend einen High-Five. War doch gar nicht so schlimm.  

Abstieg in den Krater des Benbow.

Im Herzen des Vulkans

Ein paar Minuten später kraxeln wir die letzten Meter des Abhangs herunter und stehen auf dem schmalen Plateau der ersten Stufe. Geht also doch ohne Seil. Aber es hat über eine Stunde gedauert und inzwischen ist es schon kurz nach Elf.

Aus dem Krater dringt ein leises Grollen. Vulkanische Gase strömen aus tiefen Rissen im Boden und ziehen in kleinen Wölkchen durch mein Blickfeld. Der Geruch von faulen Eiern hängt in der Luft.

Mir ist etwas mulmig zumute. Die Spalten sehen nicht sehr alt aus. Wenn man länger hier unten bleibt, kann man bestimmt zuschauen, wie der Boden aufreißt und neue Gräben entstehen.

Während ich zum Rand des Kessels laufe, spüre ich die Hitze aus dem Inneren des Kraters. Auch der Boden wird mit jedem Schritt wärmer und ich passe gut auf, dass ich nicht in einer der Spalten stolpere. Man kann förmlich fühlen, wie die Erde unter einem permanent in Bewegung ist.

Tali ist beim Abhang geblieben und ruft mir zu, dass ich mich beeilen soll. Ich glaube er will schnell wieder zurück und kann es ihm nicht ganz verdenken. Bis auf das leise Grollen aus dem Krater ist es ruhig. Aber es wirkt eher wie die Ruhe vor dem Sturm.

Der innere Krater des Benbow ist steil und tief, viel steiler als der Abhang, den wir heruntergeklettert sind. Der Schacht fällt fast senkrecht ab. Ohne Seile und Bergsteigerausrüstung geht es hier definitiv nicht mehr weiter.

Im Krater des Vulkans Benbow auf Ambrym.
Bis hierhin kann man ohne Spezialausrüstung laufen. Danach sind Schutzanzüge erforderlich.

Wo ist der Lavasee?

Weit unter mir, vielleicht noch einmal 150 Höhenmeter tiefer, erkenne ich die zweite Stufe: Ein kleiner Vorsprung, wie ein Balkon über dem früheren Lavasee.

Leider ist die Lava wie angekündigt inzwischen vollständig versiegt. Der Schacht verliert sich unterhalb der zweiten Stufe im Dunst. Man kann nur erahnen, dass irgendwo da unten noch immer glühende Gesteinsmassen vor sich hin brodeln. 

Ich schnappe mir einen Stein und werfe ihn in den Schacht. Aber so leicht lässt sich der Benbow nicht aus der Reserve locken. Der Gesteinsbrocken verschwindet sang- und klanglos im Inneren des Kraters. Ich bekomme nicht einmal ein Grollen als Antwort.

So sah der Lavasee im Benbow vor einigen Jahren aus. In den Luftaufnahmen erkennt man auch gut die gewaltigen Ausmaße des Kraters.

Talie ruft mir erneut zu. Wir müssen gehen. Ich werfe einen letzten Blick in den inneren Kessel, bevor wir uns auf den Anstieg machen. Zum Glück ist der Weg nach oben viel leichter. Man muss nicht so sehr balancieren und selbst die Abbruchkante, die uns auf dem Hinweg aufgehalten hat, ist im Aufstieg kein großes Hindernis.

Nach gut 35 Minuten stehe ich erschöpft aber happy wieder am oberen Rand des Kraters. Einen Lavasee habe ich zwar nicht gesehen. Aber die spontane Klettertour in den Vulkan war eine mindestens genauso gute Entschädigung.

Ausblick über die Ascheebene von Ambrym.
Letzer Blick über die Ascheebene von Ambrym.

Der lange Marsch zurück nach Hause

Ganz zu Ende ist unser Abenteuer hier aber noch nicht. Schließlich müssen wir wieder zurück in die Zivilisation. Und nach der ganzen Kraxelei fühlen sich die Beine längst nicht mehr so leicht an. Genau deshalb streichen wir auch den Ausflug zum kleinen Marum und gehen schnurstracks zurück ins Camp.

Der Weg über die Ascheebene ist noch relativ einfach. Danach mit Gepäck durch den Urwald bis zur Küste zu Marschieren ist aber kein Vergnügen. Die Stunden ziehen sich. Als wir wieder unten sind, stellt sich zudem heraus, dass das Auto für die Rückfahrt gerade anderweitg gebraucht wird.

Also laufen wir weiter bis nach Port Vato. Ich fühle mich wie auf Autopilot und versuche die Hitze und die feuchte Luft zu ignorieren. Nicht denken. Nur einfach einen Fuss vor den Nächsten setzen. Genau deswegen bis du ja hierhergekommen.

Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir in Port Vato an. Das Auto ist auch schon da. Genau wie unser Fahrer, der aber gerade nicht kann. Er muss sich nach der letzten Fahrt erst noch in der örtlichen Kava-Bar entspannen.

Ich musste dann auch erst einmal eine kleine Pause einlegen.

Nach ein paar Wochen in Vanuatu, weiß ich, dass Widerspruch zwecklos ist. Und irgendwann bequemt sich der Fahrer dann auch endlich uns zurück nach Craig Cove zu bringen. Auf der Schotterpiste geht es durch stockfinsteren Regenwald. Kein Wunder, dass er sich vorher noch ein bisschen entspannen wollte.

Es ist nach zehn, als ich wieder an Sam’s Guesthouse ankomme. Eigentlich war ich nur eine Nacht weg, aber es fühlt sich viel länger an. Was für eine Tour! Ich falle erschöpft ins Bett und bereite mich mental auf den Rückflug nach Port Vila morgen früh vor.

Bevor ich einschlafe kommt Talie nochmal vorbei, um sich zu verabschieden. Ich soll unbedingt wiederkommen. Nächstes Mal ist der Lavasee auch wieder da. Ich verspreche es ihm. Vielleicht nicht nächstes Jahr, aber irgendwann bestimmt. Der Vulkan hat Zeit.

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