Abenteuer Vilcabamba: Zu Fuß durch das Reich der letzten Inka

Kann man in Peru noch echte Abenteuer erleben? Genau das wollte ich diesen Sommer herausfinden. Drei Wochen lang bin ich mit dem Zelt auf einer selbstgeplanten Route durch einige der abgelegensten Orte der peruanischen Anden gezogen. Eine großartige Wanderung für abenteuerlustige Trekking-Fans: Der Vilcabamba Trail.

In diesem Artikel:

Was tun, wenn man Lust auf ein Trekking-Abenteuer in Peru hat, aber nicht mit hunderten von anderen Touristen auf dem weltbekannten und entsprechend überfüllten Inkatrail laufen möchte? Ganz einfach – man baut sich seine eigene Wanderung auf alten Inkawegen zusammen!

Klingt im ersten Moment vielleicht verrückt. Aber genau das war einer der Gründe, warum ich diesen Sommer 3 Monate in Peru war: Eine selbstgeplante, mehrwöchige Tour mit Zelt und kompletter Campingausrüstung in der Cordillera Vilcabamba, dem sagenumworbenen Hochgebirge nordwestlich von Cusco, der alten Hauptstadt des Inka-Reichs. Auf eigene Faust, ohne Führer und fast ausschließlich auf Wegen weit abseits der bekannten Trekking-Routen.

Diese Tour war meine bisher größte und längste Trekking-Reise. Einmal quer durch die komplette Cordillera Vilcabamba. Über 200 Kilometer zu Fuß durch einige der abgelegensten Orte der peruanischen Anden auf der Spur der letzten Inka-Herrscher. Eine Wanderung, die mich nicht nur körperlich an meine Grenzen brachte und von der ich vorher nicht wusste, ob ich das überhaupt schaffe.

Eine Wanderung auf der vielleicht schönsten und abwechslungsreichsten Trekking-Route von Peru – dem Vilcabamba Trail.

Das hier ist mein Bericht.


Auf einen Blick:

  • Komplette Durchquerung der Cordillera Vilcabamba von der Inka-Stadt Choquequirao bis zum Sonnentor von Ollantaytambo
  • Länge: ca. 220 Km
  • Höhenmeter: ca. + 17.000, – 17.000 hm
  • Schwierigkeit: schwer
  • Abenteuerfaktor: sehr hoch
  • ca. 12 Pässe, fast alle über 4.000 Meter Höhe
  • Übernachtung überwiegend im Zelt, komplette Camping-Ausrüstung + Proviant für Selbstversorgung erforderlich
  • Optionaler Abstecher nach Machu Picchu möglich

Der Vilcabamba Trail: Eine neue Route durch die peruanischen Anden

An dieser Stelle noch kurz zur Erklärung: Der Vilcabamba Trail ist kein „offizieller“ Trekking-Weg, sondern eine Route, die ich mir ursprünglich zu meinem Privatvergnügen selbst ausgedacht habe. Auch der Name „Vilcabamba Trail“ stammt von mir. Ich fand das passend, weil die Wanderung ja das gesamte Gebirge durchquert.

Was man dazu sagen muss: Die ganze Sache hätte durchaus scheitern können, z.B. wenn bestimmte in den Karten eingezeichnete Wege zu schwierig gewesen wären oder nicht mehr in der Realität existiert hätten. Das habe ich selbst schon erlebt, damit muss man in unbekannten Gebirgsregionen immer rechnen. Und das gilt umso mehr, wenn es sich um ein so abgelegenes Gebiet wie die Cordillera Vilcabamba handelt.

Zu meiner eigenen großen Überraschung hat am Ende aber doch alles geklappt, wie geplant. Die Wanderung verläuft ausschließlich auf tatsächlich existierenden Wegen – teilweise auf Originalwegen der Inka – und ist zu 100% genau so machbar, wie ich mir das vorgestellt habe. Was nicht heißt, dass es einfach ist. Es gibt definitiv ein paar harte Abschnitte. Und durch die großen Höhen, die vielen steilen Anstiege und die völlige Abgeschiedenheit war es immer noch eine beachtliche Herausforderung.

Anden-Trekking für Abenteurer

Trotzdem war mein erster Gedanke, als ich mit der Wanderung fertig war: Was für eine Hammer-Tour! Das könnte für Peru das sein, was der Annapurna Circuit für Nepal ist. Eine große Reise zu Fuß, die in rund 3 Wochen alles bietet, was man sich nur wünschen kann. Ein echtes Abenteuer, wie es auch der Machu-Picchu-Entdecker Hiram Bingham hätte erleben können: Landschaftlich grandios, manchmal etwas unbequem, voller faszinierender Einblicke in fremde Lebenswelten – und komplett abseits der bekannten „Mainstream-Touren“.

Klingt eigentlich zu gut um wahr zu sein, oder? Aber das ist eben Peru. In dem Riesenland sind solche Touren tatsächlich noch möglich, wenn man die bekannten Backpacker-Routen hinter sich lässt. Und wenn dein Herz nur ein bisschen für echte Oldschool-Abenteuer schlägt – dann könnte das hier tatsächlich der abwechslungsreichste, ursprünglichste und spannendste Trek sein, den du in Peru finden wirst. Mit diesem Artikel möchte ich ein paar Infos dazu liefern und den geneigten Leser dazu animieren, das Land der Inka abseits der bekannten Routen zu erkunden.

Hinweis: Ich schreibe derzeit einen Wanderführer als E-Book für den Vilcabamba Trail. Melde dich hier für den Newsletter an und erfahre als Erstes davon, wenn das Buch fertig ist.

Gesucht: Eine Alternative zum Inka-Trail

Wie bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, mir meine eigene Trekking-Route durch Peru zusammenzubasteln? Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Es ist nämlich so: Es gibt in Peru nicht nur den einen bekannten Inka-Trail. Vielmehr existiert ein riesiges Netz aus alten Wegen, das alle Teile des Inkareichs verband. Dieses Straßensystem, der sogenannte „Qhapaq Ñan“, erstreckte sich über 6.000 Kilometer und noch heute sind viele Teile davon erhalten.

Der bekannte Inka-Trail ist also nur ein winzig kleiner Teil davon.

Als ich letztes Jahr anfing nach möglichen Routen in Peru zu recherchieren und zum ersten Mal von diesem riesigen Netz aus alten Straßen las, war das für mich wie eine Offenbarung. Und ich begann sofort zu überlegen: Wie wäre es denn, einige dieser Wege zu einer großen Runde zu verbinden? Möglichst in einem Gebiet, das ausreichend Platz bietet, landschaftlich interessant ist und am besten auch noch so viele Inka-Ruinen wie möglich aufweist.

Nach ein paar Wochen Recherche war klar: Es gibt nur ein Gebirge in Peru, dass alle diese Eigenschaften perfekt miteinander vereint – die sagenumwobene „Cordillera Vilcabamba“, die Heimat der letzten Inka.

Darum ist die Cordillera Vilcabamba der perfekte Ort zum Trekking in Peru

Die Cordillera Vilcabamba ist vielen Leuten nicht unbedingt ein Begriff. Dabei ist das Gebiet eigentlich nicht gänzlich unbekannt. Immerhin liegt es nahe bei Cusco, dem unbestrittenen touristischen Zentrum Perus. Außerdem befinden sich einige der berühmtesten Inka-Ruinen in dem Gebirge, darunter die weltbekannte Inka-Stadt Machu Picchu und ihre kleinere Schwester Choquequirao, die „Wiege des Goldes“. Auch das „heilige Tal“ mit den prächtigen Festungsanlagen von Ollantaytambo und Pisac ist von hier aus nur ein Katzensprung entfernt.

Aber es ist wie so oft: Die meisten Besucher konzentrieren sich auf die offensichtlichen Highlights, in diesem Fall Machu Picchu, und ignorieren den Rest. Das wollte ich anders machen – vor allem, nachdem ich in den Reiseberichten von Hiram Bingham*, dem (Wieder-)Entdecker von Machu Picchu, ein bisschen über die faszinierende Geschichte dieser Region las.

Auf der Spur der letzten Inka

Die Vilcabamba, das wurde mir nach und nach klar, war mehr als nur ein landschaftlich reizvoller Spielplatz für Outdoor-Fans. Es war der letzte Rückzugsort der Inka. Die Zufluchtsstätte, in der sich die Überlebenden der spanischen Conquista vor den europäischen Eindringlingen versteckten. Eine eigene, hermetisch in sich abgeschlossene Welt aus hohen Gipfeln, schonungslos tiefen Schluchten, abweisenden Gebirgspässen und kaum zugänglichen Dschungeltälern.

Mit anderen Worten: Der perfekte Ort, wenn man nicht gefunden werden möchte.

Fast 40 Jahre harrten die letzten Inka nach dem Fall ihrer Hauptstadt Cusco 1533 in den wilden Bergen der Vilcabamba aus. Dort gründeten sie eine neue Hauptstadt, dort bauten sie neue Paläste und Heiligtümer und von dort aus führten sie einen unbarmherzigen Guerilla-Krieg gegen die europäischen Besatzer. Lange Zeit sah es so aus, als ob sie damit Erfolg hätten.

Wir wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist: Am Ende war der Widerstand erfolglos. Der letzte Inka Túpac Amaru wurde 1572 gefangen genommen und auf der Plaza de Armas in Cusco öffentlich von den Spaniern hingerichtet. Aber die alten Wege und Straßen, die steinernen Häuser, die kunstvoll angelegten Terrassen und die Tempel mit ihren Nischen überdauerten den Untergang dieses geheimnisvollen Bergvolkes. Und in der Vilcabamba würde ich mehr als genug davon finden.

Jetzt musste ich nur noch irgendwie dahin kommen!

Die Route des Vilcabamba Trails

Bei der Planung dieser Tour wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich keinen der bekannten Wege benutzen konnte. Diese erschließen nämlich immer nur kleine Teile der Cordillera. Grob gesagt gibt es drei gängige Trekking-Routen in diesem Gebirge:

  • Der klassische Inka-Trail
  • Der Salkantay-Trek
  • Der Trek nach Choquequirao

Die ersten beiden Wanderungen sind extrem bekannt und beliebt, relativ kurz (ca. 4 Tage) und enden jeweils in Machu Picchu. Das war mir zu wenig. Von Choquequirao gäbe es ebenfalls die Möglichkeit nach Machu Picchu weiterwandern. Dieser Choquequirao Trek nach Machu Picchu ist noch nicht ganz so bekannt, das klang schon mal vielsprechender. Aber immer noch ein bisschen wenig – da müsste doch mehr drin sein. Im nächsten Schritte musste ich mir als erstmal eine vernünftige Karte besorgen.

Überraschenderweise wurde ich bei dem peruanischen Verlag Lima 2000 tatsächlich fündig*. Der Maßstab von 1:160.000 war ziemlich grob, aber in der Karte entdeckte ich genau das, was ich gesucht hatte: Einen alten Weg, der von Choquequirao weit nach Norden ausholte und mitten in das Herz der Vilcabamba führte – zum Palast von Vitcos und dem verborgenen Heiligtum von Yurak Rumi. Das waren die beiden vielleicht bedeutendsten Stätten der letzten Inka – mehr hätte ich mir nicht wünschen können.

Der rätselhafte Monolith von Yurak Rumi im Herzen des Vilcabamba-Tals.

Was aber noch besser war: Von hier aus sollte es einen weiteren Weg geben, der das zentrale Gebirgsmassiv der Cordillera über mehrere 4.000er-Pässe durchquert und schließlich in Santa Teresa unweit von Machu Picchu endete. Genau auf dieser Route hatten die Spanier im 16. Jahrhundert jahrzehntelang vergeblich versucht, ins Innere der Vilcabamba gelangen. So langsam nahm die Tour Gestalt an – es würde eine Wanderung auf den Spuren der Vergangenheit werden.

Mein Problem an diesem Punkt: Nach Machu Picchu gab es keinen offensichtlichen weiteren Weg. Die bekannten Treks enden hier. Und um dem Verlauf des Gebirges weiter nach Osten zu folgen, müsste ich eigentlich die Eisenbahn nehmen, die am Fluss Urubamba entlang nach Ollantaytambo führt. Aber ich wollte diese Berge ja unter meinen Füßen spüren und nicht nur aus dem Fenster eines Zugabteils bewundern.

Durch das wilde Herz der Vilcabamba

An dieser Stelle kam mir die moderne Technik zu Hilfe, genauer gesagt die Wege-Datenbank OSM (Open Street Maps). Nach ein bisschen Rumstöbern fand ich hier einen Weg, der von Machu Picchu aus durch das abgeschiedene Tal des Aobamba, einem Nebenfluss des Urubamba, nach Süden verlief und den Nevado Salkantay, den „Vater der Berge“ der Inka an seiner wenig besuchten Nordostflanke passierte. Durch das Pallkay-Massiv würde ich danach zu den Hochebenen 2.000 Meter über dem Tal von Ollantaytambo gelangen.

Übersicht über meine Trekking-Route durch die Cordillera Vilcabamba:

Das ultimative Schmankerl: Als letzte Station würde ich beim Sonnentor von Ollantaytambo vorbeikommen. Ein einmalig abgeschiedenes Inka-Heiligtum auf einem messerscharfen Gebirgsgrat, das einen direkten Blick auf die Eisflanken des mächtigen Nevado Verónica gewährt. Als Ende dieser Tour dramaturgisch wohl kaum zu toppen und was für eine Tour das werden würde!

Eine über 200 Kilometer lange Wanderung von der Inka-Stadt Choquequirao, mitten durch das wilde Herz der Cordillera Vilcabamba, vorbei an einigen der historisch bedeutendsten Inka-Stätten bis nach Machu Picchu, der bekanntesten Inka-Stadt überhaupt. Weiter auf unbekannten Wegen durch unerforschte Gebirgsmassive bis zum großen Finale am Sonnenheiligtum von Ollantaytambo. Und all das zu Fuß auf einer schlüssigen, durchgängig begehbaren Route.

Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass so etwas überhaupt möglich sein sollte!

Und wieso hatte das noch nie jemand vorher probiert?

Und dann kamen die ersten Zweifel…

Okay… ich musste erstmal eine Nacht über die Sache schlafen. Und am nächsten Tag meldeten sich dann auch schon die ersten Bedenken. Klar, in der Theorie und von der gemütlichen Couch in meinem heimischen Wohnzimmer aus betrachtet sah das alles schön und gut aus. Aber was würde mich in den Bergen von Peru wirklich erwarten?

Wer schon mal eine Wanderung in unbekanntem Gebiet mit Hilfe von Online-Karten und Touren-Apps wie Komoot oder Outdooractive geplant hat, weiß wovon ich rede. Es ist eine Sache, einen schön gestrichelten, deutlich erkennbaren Pfad in der App zu sehen. Die Realität sieht häufig nicht so ordentlich aus.

So etwas ist mir auch schon oft genug in der Uckermark in Brandenburg passiert, als sich mal wieder ein angeblich vorhandener Pfad im dichten Unterholz verabschiedet hat. Aber in einer mir völlig unbekannten Cordillera der Anden mit Wegen, die regelmäßig jenseits der 4.000 Meter verlaufen, wäre das dann doch nochmal eine andere Hausnummer und mehr als nur eine kleine Unpässlichkeit.

Hängebrücke im Tal des Aobamba. Nicht sehr vertrauenserweckend und die Schlucht ist an dieser Stelle über 100 Meter tief.

Auf unbekannten Pfaden im wilden Teil der Anden

Eine Sache war nämlich klar: Nach Machu Picchu würde ich echte Terra Incognita betreten. Wege, die nicht mehr auf den offiziellen Karten auftauchen und von denen ich keinerlei Ahnung hatte, ob es sie überhaupt gab. Steil würde es auf jeden Fall werden. Über 3.000 Höhenmeter vom Tal des Aobamba bis zum Hochpass zwischen dem Salkantay und dem Pallkay-Massiv. Das wäre mit einem schweren Rucksack an sich schon eine harte Herausforderung. Und das alles dann auch noch in einem komplett unbekannten Hochgebirge am anderen Ende der Welt, ohne jede Infrastruktur und ohne sichere Informationen zu dem Gebiet.

Was würde ich machen, wenn ich mitten im Nirgendwo auf einmal vor einer kaputten Brücke oder einer überwindbaren Steilwand stehen würde? Wenn der Weg durch einen Erdrutsch zerstört wäre? Wenn ich kein Wasser mehr finden würde? Das waren alles keine theoretischen Fragen, sondern Sachen, die tatsächlich im Bereich des Möglichen liegen würden. Hätte ich die passenden Antworten darauf? Oder hatte ich mir da vielleicht nicht doch ein bisschen zu viel zugemutet?

Andererseits: Welcher Outdoor-Mensch hat nicht schon einmal davon geträumt, ins große Unbekannte aufzubrechen? Die Zivilisation hinter sich zu lassen, durch unerforschte Landschaften zu streifen, echtes Neuland jenseits der bekannten Wege zu betreten. Vielleicht auch ein Risiko einzugehen und zu schauen, wie man sich dabei schlägt. Ich bin ganz ehrlich: Ich hatte schon lange von so etwas geträumt. Und diese Tour in den peruanischen Anden schien mir wie das perfekte Ticket zu der Erfüllung dieses Traums.

Es gab nur einen Weg herauszufinden, was mich in der Cordillera Vilcabamba erwarten würde: Ich musste es einfach probieren und losziehen.

Nächster Teil: Die Vorbereitungen – So plant man eine 200 Kilometer lange Solo-Wanderung ohne Guide durch die Anden

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Ohne Kaffee komme ich morgens nicht raus und kann keine neue Abenteuer erleben:)

Hast du noch Fragen oder Anmerkungen zu dieser Wanderung oder anderen Treks in Peru? Dann nichts wie ab in die Kommentare – ich freue mich, von dir zu hören!