Route: Koutala Seli – Kanaki Roussia – Sideroporti-Pass – Livadas Mitato – Katsivelli Refuge
- Länge: 9,1 km
- Höhenmeter: + 618, – 414
- Übernachtung: Zelten an der Katsivelli-Refuge
Ich starte erst gegen 10:00 Uhr morgens, weil mich nach der eiskalten Nacht nichts dazu bewegen kann, aus dem Zelt zu kriechen, bevor die Sonne hinter den umliegenden Hängen hervorlugt. Der heutige Tag beginnt direkt mit einem ziemlich steilen Pass im nächsten Tal hinter dem Lagerplatz. Von Weitem wirkt der Anstieg noch recht harmlos.
Aus nächster Nähe sieht das dann aber eher so aus:
Einen richtigen Weg habe ich hier erst gar nicht erwartet. Und auch die Markierungen sind wieder nur sehr spärlich vorhanden. E4-Stangen habe ich bei diesem Aufstieg erst wieder ganz oben gesehen. An dieser Stelle bin ich zeitweilig auf GPS-Navigation umgestiegen, weil ich nicht zu viel Zeit mit der Suche nach der besten Route verschwenden wollte.
Als Belohnung gibt’s die ersten Aussichten auf die Karsttrichter im Zentrum der Lefka Ori. Ein krasser Anblick, der im Wanderführer mit eisfreien Landschaften in der Antarktis verglichen wird. Da ich noch nicht am Südpol war, kann ich das nicht beurteilen. Auf jeden Fall hab ich so was noch nicht gesehen. Eine Mischung aus rotem, schwarzem und weißem Gestein. Dazwischen tiefe Erosionsgräben – ein wahres Labyrinth aus Felsspalten und Rissen.
Der Begriff „Mondlandschaft“ wird ja immer ganz gerne verwendet, wenn es darum geht ausgedehnte Felslandschaften zu beschreiben. Hier würde mir aber tatsächlich kein anderes Wort einfallen. Zusammen mit der Stille und der absoluten Einsamkeit wirkt diese Landschaft unglaublich fremdartig. Es fühlt sich wirklich so an, als wäre man in diesem Moment nicht mehr auf der Erde.
Laut meiner Karte soll es hier sogar eine Route geben, die durch dieses Labyrinth direkt zur Gipfelregion und zum höchsten Berg des Massivs, dem Pachnes, führt. Ok – das ist dann wirklich eine Sache für Ortskundige oder Gruppen mit Führer. Das würde ich mich alleine nicht mal mit einem vom kretischen Wanderverband offiziell zertifizierten GPS-Track trauen…
Stattdessen führt der E4 jetzt an der Südflanke des Kanaki Roussia bis zum Sideroporti-Pass empor. Es ist ein weiterer ziemlich steiler Anstieg, der nur schlecht markiert ist. In der Anavasi-Karte ist diese Stelle als kritisch gekennzeichnet und als „schwieriger Pass zwischen losen Steinplatten und Dolinen“ beschrieben, was es ganz gut trifft.
Hier verliere ich zeitweise den Weg und steige auf der südlichen Seite des Passes auf. Dabei überquere ich das einzige Schneefeld der Tour, um einer Kraxelei über blanke Felsplatten zu entgehen. Es ist zum Glück nur ein paar Meter breit und ich teste vorher jeden Schritt. Ein tolles Gefühl ist es trotzdem nicht. Im Boden gibt es überall Spalten.
Oben am Pass erreicht man den höchsten Punkt der Reise auf 2069 Metern. Hier bietet sich der Blick auf die weitere Strecke: Der E4 führt durch ein stark zergliedertes Tal, das in mehreren Felsstufen zwischen Spalten und Karsttrichtern gen Westen abfällt. Laut Karte ein „langer Trek durch den abgelegensten Teil des Massivs“. Ich fand die Route bei gutem Wetter und klarer Sicht aber recht gut zu erkennen.
Nach der letzten Felstufe wirst du in einiger Entfernung die Ruinen der Livadas-Mitato auf einem Hügel sehen. Südlich davon entspringt die Lagkou-Nero-Quelle an den Hängen des Svouritchi. Hier kannst du endlich Wasser nachfüllen. Die genaue Position der Quelle checkst du am besten per Karte und GPS. Position: N 35°19.521′ O 024°02.849′.
Die Quelle selbst ist vermutlich nur per Kletterei erreichbar. Das ist aber gar nicht nötig. Zum Glück verlaufen Wasserschläuche vom Berg herunter, die direkt an der Route vorbeiführen und die man anzapfen kann. An dieser Stelle gibt es einige ebene Flächen, auf denen man zelten könnte. In dem Tal zuvor übrigens auch.
Genau wie im Wanderführer beschrieben, leckte der Schlauch als ich vorbeikam. Wenn du in der Nähe der Quelle bist, spitzt du am besten die Ohren und lauschst nach einem zischenden Geräusch – vielleicht ist das Leck bis dahin immer noch nicht repariert. Der Schlauch ist aber auch so gut zu erkennen.
Das Wasser brauchst du nicht filtern. Es ist kaltes, klares Bergwasser und wird dir wahrscheinlich wie das beste Wasser in deinem Leben schmecken. Danach geht es direkt weiter zum letzten Pass des Tages. Im Blick zurück siehst du noch einmal gut, wie komplex das Gelände ist, durch das du dich die letzten Stunden bewegt hast.
Der Pass zwischen den Bergen Kefala und Modaki ist etwas harmloser und nicht ganz so steil. Auf etwa halber Höhe siehst du die Katsivelli-Hütte auf dem Sattel – wie immer dauert es aber viel länger als man denkt, bis man tatsächlich da ist. Die Hütte ist leider verschlossen und Bergführern mit Gruppen vorbehalten.
Stattdessen steigst du hinter der Hütte ins Katsivelli-Tal ab. Hier befindet sich neben einer Schäferhütte eine permanent geöffnete Notunterkunft, die ich aber ziemlich verwahrlost vorfand. Besser ist es, auf den vielen schönen Stellflächen zu zelten. Der Wasserschlauch zu den Schafstränken war leider trocken, es gibt aber eine offene Zisterne.
Die Zisterne war nur zur Hälfte mit Wasser gefüllt und sah eher unappetitlich aus. Daher besser an der Lagkou-Nero-Quelle die komplette Ration (5 Liter) auffüllen, auch wenn man es den Pass hochschleppen muss. Ich hab das Wasser von der Zisterne nur zum Waschen und Spülen verwendet und vorsichtshalber trotzdem vorher gefiltert. Zur Not kann man es nach dem Filtern wahrscheinlich aber auch trinken.
An der Katsivelli-Refuge hab ich dann auch wieder die ersten Menschen seit 1 ½ Tagen getroffen – ein deutsches Pärchen (natürlich, Deutsche…). Die beiden sind aber direkt von der Kallergi-Hütte hier hochgelaufen und wollten nur einen Tag in den Bergen verbringen. Ich hatte eigentlich den Plan, von hier aus noch den Pachnes zu besteigen. Realistisch gesehen hätte ich dazu aber noch einen weiteren vollen Tag gebraucht.
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Zum Thema „Eiskalte Nacht“: Wir waren schon gespannt, wie kalt es wohl im Oktober dort oben sein würde. Die Kälte hat sich aber in Grenzen gehalten – vom Gefrierpunkt noch vielleicht 5 Grad entfernt (geschätzt). Das Wetter war allerdings zu der Zeit stabil sommerlich mit bis zu 30°C unten an der Küste. Es hätte aber wahrscheinlich auch fies neblig und windig sein können.