Route: Amoudari – Niato-Plateau – Katastromeno – Loutsolaki – Koutala Seli
- Länge: 9,3 km
- Höhenmeter: + 1169, – 166
- Übernachtung: Zelten hinter dem Pass Koutala Seli
Diese und die nächste Etappe sind die beiden schwierigsten Abschnitte des E4 im Südwesten Kretas: Die Durchquerung des zentralen Gebirgsmassivs der Lefka Ori. Die Etappen an der Küste waren durch die Hitze teilweise auch schon grenzwertig. Das hier ist aber nochmal ein anderes Niveau. Hier wirst du nur mit Bergwandererfahrung Spaß haben.
Im Wanderführer heißt es dazu etwas lapidar „geeignet vor allem für Wanderer, die anspruchsvolles Wandern über Geröllfelder und Steinwüsten nicht als Belastung empfinden“. Ach ja… wenn man so etwas zuhause auf der Couch liest, klingt das so locker-flockig.
Tatsächlich handelt es sich hierbei um Bergtouren durch nahezu wegloses Alpingelände. Im Wanderführer wird die die knapp 20 Kilometer lange Strecke von Amoudari bis zum Katsivelli-Refuge im Zentrum der Lefka Ori als einzelne Tagesetappe beschrieben – das halte ich in Ost-West-Richtung für kaum machbar!
Als Gehzeit für diese Etappe werden 12,5 Stunden angegeben. Und das ist auch gar nicht so unrealistisch – wohlgemerkt reine Gehzeit! Wenn du morgens um Sechs Uhr startest und ohne Pause durchläufst, bist du abends um halb Sieben da.
An dieser Stelle bitte kurz klarmachen, was das genau bedeutet:
Zwölfeinhalb Stunden Laufen durch schwieriges Gelände, in dem es fast nur nach oben geht. Wenige Markierungen, kaum Wege. Stattdessen endlose Geröllfelder, Kraxeleien, unsichere Schotterhänge und vier große Pässe, die überquert werden müssen. Knapp 2000 Höhenmeter, kritische Wasserversorgung und brennende Hitze mit wenig Schatten.
Für Ortskundige, die genau wissen, wo sie laufen müssen, ist das eventuell an einem Tag zu schaffen. Wenn du zum ersten Mal hier oben bist, wirst du in dem unübersichtlichen Gelände schlichtweg zu viel Zeit mit der Wegsuche verschwenden – selbst mit GPS. Ein „Weg“ in den Lefka Ori sieht nämlich auch schon mal so aus:
Genau aus diesem Grund hatte ich die Etappe – genau wie die schwierige Strecke zwischen Sougia und Agia Roumeli – schon vorher bewusst auf 2 Tage aufgeteilt. Mir war klar, dass ich das als Gebietsunkundiger an einem einzelnen Tag nicht packe, wenn ich den Weg auch noch genießen will. Und es war immer noch anstrengend genug.
Wie auch immer. Um die Tour so wie hier beschrieben auf 2 Tage aufzuteilen, musst du in Amoudari mit 5 Litern Wasser starten und damit 1 ½ Tage auskommen. Die nächste Quelle findest du erst wieder am Nachmittag des nächsten Tages. Ich hab das folgendermaßen gemacht:
- 1,5 Liter für Tag 1
- 1 Liter für Kochen und Trinken im Camp
- 1,5 Liter für Tag 2
- 1 Liter Notvorrat
Für Waschen bleibt da leider nichts übrig – aber in den Lefka Ori muss man eben Prioritäten setzen:)
Der erste Anstieg von Amoudari zum Niato-Plateau ist gleich ziemlich steil, aber immerhin gibt es noch einen Weg. Theoretisch könnte man dieses Stück auch noch am Vortag bewältigen und von Niato aus starten. Oder alternativ direkt von der Küste nach Niato laufen. Dazu müsstest du aber schon in Chora Sfakion Vorräte besorgen. Im Wanderführer wird hierzu eine Variante durch die Sfakiano-Schlucht vorgeschlagen.
Oben angekommen überquerst du erst eine große Wiese und folgst dann der Schotterpiste, die nach einiger Zeit zum Tavri-Refuge abzweigt. Die Berghütte ist leider nur offen, wenn Bergführer mit Gästen da sind. Ich vermute mal, man kann vorher aber beim Chania Mountaineering Club nachfragen und etwas organisieren. Auf jeden Fall hast du hier das erste Mal einen richtig guten Blick auf die Weißen Berge – ein echter Gänsehautmoment!
Auf dem Niato-Plateau hältst du dich auf dem rechten Weg und gelangst nach ein paar Minuten zu einer geschlossenen Zisterne, die auf der Karte als Katastromeno markiert ist. Hier noch einmal voll Wasser tanken und am besten direkt 1 – 2 Liter trinken. Bis morgen Nachmittag ist das die letzte Wasserquelle.
Kurz darauf beginnt der Weg aufzusteigen und verläuft auf einer Art großen, langgezogenen Nebengipfel an der nördlichen Flanke des Kastro. Genau genommen kann man ab hier aber nicht mehr von einem Wanderweg sprechen. Es ist freies Felsgelände, in dem du dir selbst die beste Route suchen und die vielen stacheligen Sträucher umgehen musst.
Die Orientierung erfolgt hauptsächlich anhand der E4-Stangen, die aber immer spärlicher werden, je weiter du aufsteigst. Dazwischen sind immer mal wieder Markierungen auf die Steine gepinselt, die man häufig nur sehr schwer erkennt. Generell ist es bei gutem Wetter aber nicht das Riesenproblem, weil du meistens in der Ferne eine Stange über dir siehst.
Bei schlechter Sicht (vor allem bei Nebel) sieht das natürlich anders aus. Pass auf jeden Fall gut auf – es gibt immer mal wieder tiefe Spalten die teilweise auch zwischen den Sträuchern verborgen sind. Im Prinzip ist das Gelände aber nicht übermäßig gefährlich, wenn man vorsichtig ist. Trotzdem ist der Aufstieg zeitaufwendig, da der Weg alles andere als offensichtlich ist.
Nach einiger Zeit wirst du in ein kleines Tal gelangen, das sich zwischen den Hängen von Kastro und Kako Kasteli erstreckt. Die Route durchquert das Tal und führt an einem Grabmal mit Kreuz vorbei. Keine Sorge – das war kein unvorsichtiger Wanderer, sondern – wie mir ein Wanderführer später erzählte – ein Skitourengänger, der hier bei einer Lawine 2017 tödlich verunglückte.
Anschließend geht es weiter hoch in Richtung Loutsolaki auf etwas über 1800 Meter. Die Route folgt im Prinzip dem Gratverlauf und ist kaum zu verfehlen. Im Zweifelsfall orientierst du dich an den Stangen über dir. Auch dieses Stück ist wieder recht zeitaufwendig, da man sich den besten Weg durch das Geröll häufig selbst suchen muss und die Markierungen oft erst dann sieht, wenn man direkt davor steht.
Oben angekommen gibt’s den ersten umwerfenden Weitblick nach Norden und Osten. Geradeaus kannst du bis Chania zum Meer schauen, bei gutem Wetter sogar bis Heraklion weit im Osten. Eigentlich ein super Ort, für eine kleine Pause nach der ganzen Kraxelei. Allerdings ist es auf dem ausgesetzen Grat schon ziemlich windig und nach dem obligatorischen Erinnerungsfoto in Heldenpose bin ich schnell weiter.
Das nächste Stück führt zu einem Sattel zwischen den Bergen Koutala und Kastro und ist äußerst unangenehm. Der E4 verläuft hier an der Nordflanke des Fanari und durchquert dabei ein extrem heikles Geröllfeld. In der Anavasi-Karte wird diese Stelle als „deutlicher Pfad durch stabilisiertes Geröll“ beschrieben.
In der Realität gibt es hier keinen Weg, bestenfalls mehrere mit viel Fantasie erkennbare Trittspuren. In einem solchen Gelände, das ständig in Bewegung ist, eigentlich auch logisch. Dazu bräuchte man regelmäßige Wegewartung und ich hatte nicht unbedingt das Gefühl, dass das auf Kreta eine hohe Priorität hat.
Diese Passage war die einzige Stelle, die ich wirklich etwas gruselig fand und sie wird auf der Kreta-Webseite Destination Crete meiner Meinung nach auch zu Recht als gefährlichste Stelle der Tour aufgeführt. Die Hänge haben zwar „nur“ eine Neigung von ca. 30° Grad, aber der Boden ist extrem instabil und ein Ausrutscher hätte hier potenziell sehr unschöne Folgen.
Hier hilft eigentlich nur, langsam zu gehen und erst dann den nächsten Schritt machen, wenn du bombensicher stehst. Es ist zwar frustrierend, wie eine Schnecke den Hang entlang zu kriechen – aber alles ist besser als bei einem Ausrutscher ins Tal zu rauschen und am Ende noch eine Gerölllawine auszulösen oder in einer Felsspalte steckenzubleiben.
Auf dem Weg kommst du an einer grün bewachsenen ebenen Fläche rechts unter dir vorbei – das ist aber noch nicht das Ziel des Tages. Die Route verläuft noch eine ganze Weile leicht absteigend durch die Geröllfelder bis zum Sattel. Dahinter siehst du dann den tatsächlichen Lagerplatz. Position: N 35°18.596′ O 024°06.437′.
Hier wird das Vorankommen dann erfreulicherweise wieder leichter. Noch ein paar hundert Meter und du hast das Ziel erreicht – eine kleine Senke, die von oben fast aussieht als wäre sie mit Rasen bewachsen. Das Gras stellt sich in der Realität als extrem stacheliges Grünzeug heraus, also bleibt nur der staubige Boden.
Ich habe an dieser Stelle den Tag beendet, weil es schon später Nachmittag war. Wenn du noch Zeit hast, kannst du theoretisch auch weitergehen. Hinter dem nächsten Pass befinden sich ein paar weitere solcher Flächen. Der Anstieg (und die Wegfindung) ist aber nicht zu unterschätzen und obwohl es im Prinzip nur 1-2 Kilometer sind, würde ich mit Gepäck mindestens 1 Stunde dafür einplanen.
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Moin und Kalimera, ich bin am 24. Mai 2019 von Niato hoch zum Kastro gewandert. Kurz vor Kastromeno bei den beiden Zisternen geht es links hoch. (Der Neue markierte E4-Weg beginnt kurz danach) Es ist mit den typischen E4- Symbol-Schild markiert. Das erste kurze Stück, was noch mit Maccia bewachsen ist, dort sind Farbpunkte auf den Steinen als Markierung. Dann durchquert man ein steiniges Tal/Senke und danach geht es auf einem schmalen Grad steil bergauf Richtung Kastro und Koutala Seli. Hier sind in einigen hundert Metern die typischen E4-Stangen. Man muss immer schauen, wo ist die nächste E4-Stange. Im Tal/Senke und beim weiteren Aufstieg sind viele der Stangen in der Mitte umgebogen. Als ob ein Riese die Stangen aus Wut umgebogen hat.
Oben auf dem Grad ist es super ruhig und man hat einen schönen Ausblick auf den Kastro, Kastromeno und Kako Kastelli. Unter einem verläuft der Neue E4-Weg. Die Beschaffenheit dort sieht sehr interessant und ungewöhnlich aus.
So schön und einsam wie es dort oben ist, auf der anderen Seite ist es auch ein wenig eintönig. Der Aufstieg auf dem Grad nimmt einfach kein Ende. Man denkt man hat es gleich geschafft, dann kommt wieder eine E4-Stange. So geht es immer weiter. Kurz vor dem Abzweig zum Kastro bin ich dann wieder umgekehrt.
Im hab mir bei der Wanderung einen ordentlichen Sonnenbrand geholt (im Nacken, Kniekehle und Waden), obwohl ich schon gut vor gebräunt war. Der Wind, die knallende Sonne und die reflektierten Schneefelder sind nicht zu unterschätzen. Also fett eincremen.
vg aus Hamburg, kv
Tach,
wir haben im Okt. 23 den „Abstieg über ein extrem heikles Geröllfeld“ nur als „Abstieg über ein Geröllfeld“ gewertet. Das kann daran liegen, dass der Pfad am Ende des Jahres doch ein bischen ausgetretener ist, als im Frühjahr. Oder an mehr Bergerfahrung.