Route: Bivacco In La Piana (961 m) – Ponte Val Gabbio (950 m) – Alpe Borgo Del Valli (1100 m) – Alpe Quagiui (1550 m) – Bocchetta dell Usciolo (1851 m) – Alpe Stavelli (1485 m)
Tourdaten
- Länge: 9,1 Kilometer
- Höhenmeter auf: 1106 m
- Höhenmeter ab: 580 m
- Gehzeit ohne Pausen: ca. 6 – 6,5 Stunden
Wasserversorgung
Im Val Gabbio direkt aus dem Fluss (vorher filtern!), anschließend erst wieder ein Brunnen an der Alpe Stavelli. Am besten ausreichend Wasser aus In La Piana mitnehmen (2 Liter).
Übernachtung
Biwak im Zelt an der Alpe Stavelli (bester Lagerplatz siehe auf dem Foto unten), alternativ im Bivacco Colma (+1,4 Km, 243 Höhenmeter)
Übersichtskarte
Beschreibung der Etappe
Die heutige Etappe führt uns in westlicher Richtung durch das dicht bewaldete Val Gabbio. Laut Führer ist das ein „wenig begangener Teil“ des Nationalparks Val Grande. Aber inzwischen sehe ich solche Aussagen als relativ an. Die anderen Wanderer sind schon weg, als wir relativ spät gegen 10 Uhr aufbrechen. Eine der Gruppen wollte heute den berüchtigten Schluchtweg in Angriff nehmen.
Während wir losmarschieren halte ich die Augen offen. Irgendwo im Wald links neben uns müsste sich eine Abzweigung befinden, die in die Hauptschlucht des Val Grande führt. Ich erwarte jeden Moment das Verbotsschild zu sehen, das vor dem Betreten des Wegs warnt. Vielleicht hat man es inzwischen aber auch einfach entfernt, um nicht noch zusätzlich darauf aufmerksam zu machen.
Badestellen und versteckte Wasserfälle
Einen Weg in die Schlucht erkenne ich jedenfalls nicht. Aber unser Weg ist auch so schon abenteuerlich genug. Der Pfad windet sich zwischen den steilen Hängen der umliegenden Berge. Weit unter uns plätschert der Rio Val Gabbio und wir kommen immer wieder an tollen Badestellen vorbei. Leider ist das Wetter weiterhin mittelmäßig und die Badehose bleibt im Rucksack.
Hinter dem ehemaligen Bivacco Val Gabbio laufen wir bis zum Ufer des Rio Val Gabbio und folgen einem mit Steinmännchen markierten Weg durch den Wald bis wir einige Minuten später einen etwas versteckten Wasserfall entdecken.
Ein toller Fund, aber die Freude hält nicht lange an. Der Weg scheint hier zu enden. Haben wir etwa wieder eine Abzweigung übersehen? Wir laufen zurück bis wir wieder eine rot-weiße Markierung sehen. Der richtige Weg führt anscheinend durch das Bachbett, dank des niedrigen Wasserstandes ist das aber kein Problem.
Auf der anderen Seite ist leider weit und breit keine Spur von einer Markierung zu sehen. Auch mein GPS-Gerät ist keine große Hilfe. Anscheinend ist der Himmel zu bewölkt oder der Wald zu dicht, aber ich bekomme kein Signal. Immerhin gibt es aber ein halb umgestürztes Steinmännchen, dem wir folgen.
Durch das wilde Val Gabbio
Eine Viertelstunde später erreichen wir wieder den Wasserfall, diesmal von der anderen Seite. Waren wir vorhin doch richtig und haben etwas übersehen? Aber auch hier sind keine Markierungen oder Steinmännchen zu sehen. Wenn es hier einen Weg gibt, ist er unter der dichten Laubdecke verborgen und die steilen Hänge laden nicht gerade zum Experimentieren ein. Das GPS-Gerät gibt immer noch keinen Mucks von sich und uns bleibt nichts anderes übrig, als erneut umzudrehen.
Wieder am Bachbett angekommen, sehe ich dann endlich die Markierung. Gut versteckt und im Halbdunkel des Waldes kaum zu erkennen prangt die verblasste rot-weiße Markierung auf einem moosbewachsenen Stein. Erleichterung macht sich breit und ich habe mich noch nie so über einen Wegweiser gefreut wie in diesem Moment. Nicht auszumalen, wo wir gelandet wären, wenn wir weiter in die falsche Richtung gegangen.
Über Stock und Stein geht es weiter, wobei der Stein überwiegt. Wir müssen den Bach noch mehrere Male überqueren und dabei über große Felsbrocken herunter und auf der anderen Seite wieder heraufkraxeln. Mit den schweren Marschrucksäcken und Trekkingstöcken ein echtes Ärgernis, zumal es immer steiler wird, je weiter wir uns dem westlichen Ende des Tals nähern.
Magische Stimmung an der Alpe Quagiui
Nach einem letzten steilen Anstieg haben wir es dann aber doch geschafft und wir lassen die Baumgrenze hinter uns. Der Wechsel der Landschaft kommt urplötzlich und könnte nicht dramatischer sein. Vor uns erstreckt sich eine weitläufige Heidelandschaft aus sonnengebleichtem Gras, dazwischen ein grüner Teppich aus Ginsterbüschen und anderen Sträuchern. Die dichten Nebelschwaden über uns scheinen uns fast zu berühren und für einen Moment fühlt es sich so an, als wären wir geradewegs in den schottischen Highlands gelandet.
Wir laufen zwischen Steinhaufen weiter bis wir ein einzelnes Haus auf einem Hügel vor uns sehen. Einige Minuten später haben wir es erreicht und erkennen, dass das Gebäude nur ein kleiner Teil einer viel größeren Siedlung ist. Das muss die Alpe Quagiui sein – laut Führer war das früher die größte Alm im ganzen Val Grande.
Für einige Minuten stöbern wir zwischen den verlassenen, halb verfallenen Gebäuden herum. Ich versuche mir vorzustellen, wie es hier früher ausgesehen hat. Für die Weiden und das Vieh war hier viel Platz, aber sonst? Rings herum nur steile Täler, unüberwindbare Berggipfel, völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Was mag die Leute dazu bewegt haben, an einem so abgeschiedenen Ort ein hartes Leben zu führen? Bestimmt nicht die schöne Aussicht. Nur wenn es anderswo nichts mehr zu holen gibt, zieht man hierher.
Viel Zeit zum Nachdenken habe ich nicht, denn bevor wir unser Tagesziel erreichen, müssen wir noch ein letztes Hindernis überwinden: Den Gebirgspass Bocchetta del Usciolo, der sich bedrohlich hinter der Alpe erhebt. Noch einmal dreihundert Höhenmeter wollen bewältigt werden, zum Glück wird es erst im letzten Stück richtig steil und der Weg ist in einem unerwartet guten Zustand. Ein Panoramablick ist uns aber auch von dieser Anhöhe nicht vergönnt, denn noch immer herrscht dichter Nebel.
Während wir den Pass auf der anderen Seite genauso steil wieder herunterlaufen, kommen wir an zahlreichen fantastisch geformten Felstürmchen vorbei. Bei klarem Himmel muss die Aussicht von diesem Weg überragend sein und ich nehme mir fest vor, nochmal bei besserem Wetter hierherzukommen.
Im Moment konzentriere ich mich aber vor allem auf den Weg vor mir, der mir zunehmend Sorgen bereitet. Der schmale Trampelpfad führt über große und kleine Felsbrocken, die vom Regen der letzten Tage feucht und schlüpfrig sind. Rechts von mir fällt die steinige Flanke steil ins Tal ab. Ausrutschen ist hier definitiv verboten!
Nach einer knappen Dreiviertelstunde lüftet sich der Nebel kurz und wir sehen auf einem Kamm unter uns die Steinhäuser der Alpe Stavelli. Nur noch ein paar Minuten! Doch schon nach der nächsten Biegung stochern wir wieder im dichten Nebel herum und die Alpsiedlung ist scheinbar vom Erdboden verschluckt. Die Minuten vergehen. Eigentlich ist unmöglich, dass wir eine Abzweigung verpasst haben. Aber nach den letzten zwei Tagen halte ich nichts mehr im Val Grande für unmöglich.
Glücklicherweise ist die weitere Suche nur von kurzer Dauer. Als wir um eine weitere Kehre kommen taucht die Alm genauso unvermittelt vor uns auf, wie sie eben im Nebel verschwunden ist.
Auf dem schmalen Kamm ist es nicht ganz leicht einen geeigneten Zeltplatz zu finden und dass überall die Hinterlassenschaften der Ziegen herumliegen macht es nicht angenehmer. Immerhin gibt es aber einen Brunnen. Wir beeilen uns das Zelt aufzubauen. Keine Minute zu früh! Gerade als wir fertig sind, fängt es an zu regnen und das bleibt auch den ganzen Rest des Abends so. Nach einem kurzen Abendessen, das wir zu allem Ärgernis im Zelt zubereiten müssen, geht es direkt in die Falle.
Hier geht es weiter mit Etappe 4 der Wanderung. Alternativ kommst du hier zurück zur Übersicht der ganzen Tour.
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