Val-Grande-Durchquerung – Etappe 4: Alpe Stavelli – Premosello

Der letzte Teil unserer Tour führt uns an mehreren Almen vorbei bis zur hübschen Alpe Lut, wo wir den Nationalpark Val Grande verlassen. Von hier aus ist es nur noch ein kurzes Stück bis wir Premosselo erreichen und wieder zurück in der Zivilisation sind.

Route: Alpe Stavelli (1485 m) – Alpe La Motta ( 1123 m) – Alpe Piana (1019 m) – Alpe Lut (781 m) – Colloro (518 m) – Premosselo (221 m)

Tourdaten

  • Länge: 8,1 Kilometer
  • Höhenmeter auf: 0 m
  • Höhenmeter ab: 1264 m
  • Gehzeit ohne Pausen: ca. 4 – 4,5 Stunden

Wasserversorgung

Brunnen bei der Alpe La Motta und Alpe La Piana.

Übernachtung

Bed & Breakfast in Premosselo oder direkt mit dem Zug weiterfahren nach Domodossola (ca. 30 Minuten), wo es ein umfangreiches Angebot an Hotels gibt.

Übersichtskarte

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Beschreibung der Etappe

Der finale Tag unserer Tour verspricht entspannter zu werden, heute geht es nur noch bergab. Und ehrlich gesagt habe ich nach den letzten paar Tagen auch keine Lust mehr auf nur einen weiteren Aufstieg. Das Val Grande fordert seinen Tribut und ich muss mir eingestehen, dass ich das Gelände klar unterschätzt habe. Im Gedanken sehe ich bereits die ofenfrische Pizza, die in Premosello auf uns wartet.

Morgendlicher Blick ins Tal nach Premosselo.

Ab ins Tal zur Alpe Motta

Vorher müssen wir aber erst einmal herunter. Zum Glück zeigt sich der Weg heute von einer freundlicheren Seite als auf dem Abstieg von der Bocchetta del Usciolo. Wir laufen über weite Strecken auf grasigem Untergrund, mit jedem Schritt werden die Felsbrocken und das Geröll weniger. Trotzdem ist Konzentration gefordert. Auf einer Strecke von weniger als 7 km müssen wir über 1200 Höhenmeter herabsteigen und der Weg ist entsprechend steil.

Auch auf den letzten Metern müssen wir noch ein paar knifflige Stellen überwinden.

Die Trekking-Stöcke sind eine unschätzbare Hilfe zum Balancieren. Auch auf diesem kurzen letzten Stück gibt es immer wieder Passagen, in denen wir weglose Abschnitte überwinden müssen, etwa wenn der Pfad durch einen Felssturz versperrt ist und wir über die Steine kraxeln dürfen. Trotzdem kommen wir gut voran und schon nach einer Stunde haben wir die Alpe La Motta erreicht.

Die Alpe Motta ist der erste Ort seit drei Tagen, an dem ich ein ordentliches Plumpsklo finde.

Im Unterschied zu den verlassenen Siedlungen weiter oben im Tal, scheinen hier – zumindest zweitweise – noch Leute zu wohnen. Der Garten ist gepflegt, auf einer Weide tummeln sich Esel, Pferde und eine Herde Schafe. Die Türen sind mit ordentlichen Schlössern verriegelt. Heute ist aber niemand da und wir setzten unseren Weg fort, bis wir kurze Zeit später die Alpe La Piana erreichen (nicht zu verwechseln mit dem Bivacco In La Piana im Zentrum des Parks). Auch hier bietet sich uns ein ähnliches Bild. Die Zivilisation ist nicht mehr weit.

Die Alpe La Piana auf halber Strecke bis nach Premosselo.

Die Zivilisation naht

Ein paar Minuten später endet der Bergweg und wir sehen das erste Mal seit Tagen wieder eine richtige Straße.  Bei dem Anblick kommen zwiespältige Gefühle in mir hoch. Einerseits finde ich es schade, dass wir bald schon wieder die Stille und die Natur hinter uns lassen. Andererseits fühlt es sich einfach gut an, wieder unbeschwert auf festem Grund zu laufen und sich nicht auf jeden Stein auf dem Weg vor mir konzentrieren zu müssen.

Aber noch sind wir ja nicht da. Nach knapp eineinhalb Kilometern teilt sich die Straße und zweigt rechts zur Alpe Lut an. Wir folgen dem Naturpfad und erreichen nach einigen Minuten die hübsche Kapelle, die an die Gefallenen des ersten italienischen Unabhängigkeitskrieges erinnert. Der Panoramablick von der Terrasse auf das Ossolatal ist einfach perfekt und endlich begrüßt uns auch wieder ein blauer Himmel. Ich genieße die wärmenden Sonnenstrahlen. Nach drei Tagen zwischen Regenwolken und Nebelbänken fühlt es sich an, als wären wir plötzlich wieder mitten im Hochsommer.

Kurze Rast an der tollem Aussichtsplattform an der Alpe Lut.

Von der Kapelle führt der Weg wieder über die asphaltierte Straße in das winzige Dörfchen Colloro. Obwohl es Mittwoch-Vormittag ist, sind keine Menschen auf den Straßen zu sehen. Der Ort wirkt wie ausgestorben. Zwischen den modernen Häusern entdecke ich zahlreiche alte Gebäude, die genau wie die Almen im Val Grande in der traditionellen Bauweise aus übereinandergeschichteten Steinen errichtet sind. Eine schöne Erinnerung an die Beziehung, die über Jahrhunderte zwischen den Alpsiedlungen und den Dörfern im Tal bestand. Aber so menschenleer wie es hier ist, hat vermutlich auch dieses Bergdörfchen ein ernsthaftes Abwanderungsproblem.

Wildnis bis zuletzt

Nachdem wir die engen Gassen von Colloro hinter uns gelassen haben, stehen wir vor der Wahl: Entweder der Asphaltpiste bis nach Premosselo folgen oder den „Sentiero Naturale“ (Naturpfad) nehmen, der zwischen den Serpentinen nach unten führt. Natürlich entscheiden wir uns für die zweite Variante – schließlich wollen wir unsere Val-Grande-Durchquerung gebührend abschließen.

Wer den Naturpfad hinter dieser Brücke nimmt, darf noch einmal ein paar Kilometer durch undurchdringlichen Wald hinabkraxeln.

Hier wird es dann noch einmal abenteuerlich. Obwohl wir von unten schon den Straßenlärm aus Premosselo hören, fühlt es sich an als wären wir auf den letzten Metern noch einmal mitten im Val Grande. Steile abschüssige Pfade durch dichten Wald, Brombeerdornen blockieren den Weg und ein paar Mal müssen wir noch den Bach überqueren, der von oben herabstürzt. Echte Wildnis bis ganz zuletzt!

Als wir unvermittelt auf dem Marktplatz von Premosello herauskommen komme ich mir für einen Moment wie im falschen Film vor. Autos fahren mit quietschenden Reifen über die Hauptstraße, Kinder drehen vor der Polizeistation mit dem Fahrrad ihre Runden, ein paar ältere Herren genießen die Mittagssonne und gönnen sich im Café einen Espresso. Wir sind endgültig zurück in der Zivilisation. Und obwohl ich mich nach vier Tagen Wildnis wie ein kleines Kind auf eine Nacht im Hotel freue, kann ich die nächste Tour im Val Grande kaum erwarten!

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