Hochtourenkurs beim DAV für Anfänger: Ein Erfahrungsbericht

Wie läuft man mit Steigeisen über einen Gletscher? Welche Knoten muss man zum Sichern kennen? Und wie bewegt man sich im hochalpinen Gelände? Genau das wollte ich in einem Hochtourenkurs mit dem Deutschen Alpenverein in den Stubaier Alpen lernen. Ein Erfahrungsbericht.

In diesem Artikel:

Jeder hat wahrscheinlich ein bisschen andere Gründe, sich bei einem Hochtourenkurs anzumelden. Bei mir ging es gar nicht darum, für klassische Gipfelziele wie Mont Blanc, Matterhorn und Co. zu trainieren. Ich wollte mit dem Kurs vor allem Know-How für eventuelle Trekkingtouren in hochalpinem Terrain sammeln. Gelände also, wo man nicht mehr unbedingt auf normalen Wanderwegen unterwegs ist, vielleicht auch mal einen Gletscher überquert und den Umgang mit alpinen Hilfsmitteln zumindest grob beherrschen sollte.

Der „Grundkurs Fels und Eis“, der im August 2021 in der Sektion Berlin des Deutschen Alpenvereins angeboten wurde, kam mir da gerade recht. Dieser Kurs war weder ein reiner Gletscherkurs noch ein Kletterkurs, sondern eine Mischung aus Beidem. Sozusagen eine Art „Alpin-Basiskurs“, der in 7 Tagen laut Beschreibung die „Befähigung zum Teilnehmen an einfachen Fels- und Eistouren“ vermitteln sollte.

Auf dem Programm standen Themen wie:

  • Sicherung mit Seil für einfache Felstouren
  • Errichten eines Standplatzes + Abseilen
  • Begehen von Klettersteigen
  • Begehen von Gletschern mit Steigeisen
  • Spaltenbergung und Sichern auf dem Gletscher
  • Wetterkunde + Tourenplanung
  • Navigation mit Karte und Kompass

Mit dem Begriff „Felstouren“ konnte ich nicht so viel anfangen – wahrscheinlich irgendwas mit Klettern am Seil. Eigentlich ist das nicht mein Ding, aber der Rest schien ganz gut zu passen. Im Rückblick vielleicht ein Fehler, dass ich mich nicht genauer informierte. Aber dazu später mehr. Auf jeden Fall meldete ich mich im April für den Hochtourenkurs an, der im August im Stubaital in Tirol stattfinden sollte. Die Plätze für diese Kurse sind zumindest in unserer Sektion meist auf kleine Gruppen beschränkt (bis 8 Leute), also heißt es: schnell zugreifen.

Mitte August 2021 war es dann soweit. Das Abenteuer Hochtourenkurs konnte beginnen!


Vorbereitung und Ausrüstung

Noch ein paar Worte zur Vorbereitung und der benötigten Ausrüstung. Vor dem Hochtourenkurs wurde eine Liste mit Gegenständen verschickt, die wir mitbringen sollten. Dazu zählten etwa:

Ok…als ich die Liste zum ersten Mal sehe, bin ich etwas überfordert. Bei der Hälfte der Sachen weiß ich nicht mal genau was das ist. Zum Glück bietet der DAV aber einen Materialverleih, wo man die Sachen einfach gegen eine geringe Gebühr mieten kann. Da ich so gut wie nichts von dem geforderten Material besitze, nehme ich das dann auch in Anspruch. Insgesamt kostet mich der Spaß etwa 50 Euro.

Außerdem gibt es vor dem Hochtourenkurs ein Vortreffen, wo nochmal alles besprochen wird. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade in den Dolomiten bin, kann ich leider nicht daran teilnehmen. Etwas ärgerlich, aber die Kommunikation mit Kursleiter Bernhard klappt auch so hervorragend und wir telefonieren vorher einfach noch ein paar Mal.

Ein bisschen Bedenken habe ich wegen meinen Schuhen. Die schwersten Schuhe, die ich besitze, sind ein Paar Meindl Vacuum GTX*. Eigentlich Trekkingstiefel der Kategorie B und laut Hersteller nicht wirklich steigeisentauglich (zum Test). Am Ende ist es aber kein Problem: Ich schicke ein paar Fotos der Schuhe via Whatsapp an Bernhard und er meint für den Kurs wird es schon reichen. Glück gehabt – nochmal 250 Euro für Schuhe zu investieren, von denen ich gar nicht weiß, ob ich sie in Zukunft brauche, wäre kein Spaß gewesen.

Hochtourenkurs DAV Erfahrungsbericht Ausrüstung.

Hochtourenkurs mit dem DAV im Stubaital: Erfahrungsbericht

Für die Anfahrt nach Tirol treffe ich mich mit den anderen Kursteilnehmern in München. Zusammen fahren wir dann mit dem Auto nach Neustift im Stubaital. Vom Alter passt es ganz gut, am Ende sind wir aber doch nur zu fünft – zwei Jungs, drei Mädels. Finde ich ehrlich gesagt aber ganz und gar nicht schlimm: So bleibt mehr Zeit für jeden Einzelnen und das Ganze ist dann auch gleich ein bisschen persönlicher.

Am ersten Abend geht nach dem Aufstieg zur Franz-Senn-Hütte außer gemeinsames Abendessen und Kennenlernen nicht mehr viel. Genau wie ich gehen die anderen auch gerne in den Bergen wandern. Ziemlich schnell stellt sich allerdings raus, dass ich anscheinend der Einzige bin, der nicht regelmäßig in der Kletterhalle rumturnt oder zum Bouldern geht. Na gut… mal gucken, ob ich das mit meinen Kraxeltouren im Val Grande und Co. wettmachen kann. Am Ende hab ich aber das Gefühl, dass wir alle so ungefähr auf dem gleichen Level sind.

Literatur-Tipps und Empfehlungen für Hochtouren-Geher*:

Erstmal ein bisschen Theorie

Der erste Tag beginnt nach dem Frühstück dann gleich mit dem vollen Programm. Das Wetter ist nicht so gut, also verkrümeln wir uns in den Kursraum der Franz-Senn-Hütte. Auf dem Programm steht zunächst Wetterkunde. Wir erfahren was Isogonen und Isobaren sind, lernen wie man eine Wetterkarte interpretiert und warum man vor einer Tour immer die Großwetterlage checken sollte.

Anschließend folgt eine weitere kleine Einheit zum Thema „Sichern“. Auf dem Programm stehen die Karabiner-Arten, Partnersicherung, die verschiedenen Seiltypen (statisch vs. dynamisch) und die wichtigsten Knoten fürs Bergsteigen Ein paar kenne ich noch von meiner Zeit bei den Pfadfindern. Den Halbmastwurf bekomme ich ganz gut hin, beim Rest ist eindeutig noch Verbesserungspotential.

Nach dem Essen wird das Wetter dann erfreulicherweise etwas besser. Fürs Klettern ist nicht mehr genug Zeit, also begnügen wir uns mit einem Spaziergang oberhalb der Franz-Senn-Hütte. Hier erfahren wir dann auch gleich, wo die meisten Unfälle im Bergsport passieren: Nicht am Seil oder am Klettersteig, sondern auf „normalen“ Wanderwegen. Unterwegs kommen wir an einer Stelle vorbei, an der letzten Sommer eine Wanderin tödlich verunglückte. Auf den ersten Blick sieht der felsige Abhang völlig harmlos aus. Aber ja… auch in solchem „Gehgelände“ kann man mit etwas Pech abstürzen.

Wanderweg beim Hochtourenkurs im Stubaital.

Ab an den Klettersteig

Am nächsten Tag geht’s dann direkt ins Seil. Im Seminarraum üben wir die Sicherung mit Karabiner, Klettergurt und den ganzen Knoten vom Vortag „am Mann“. Ehrlich gesagt tue ich mich ein bisschen schwer damit. Ich nehme eigentlich immer so wenig wie möglich mit und vertraue auch in den Bergen lieber auf meinem eigenen Gleichgewichtsinn. Aber gut…ich bin ja hier um was zu lernen und deshalb mache ich alle Übungen schön brav mit.

Nächster Punkt auf der Tagesordnung: Klettersteige. Nach der ausführlichen Einweisung zu den Themen Sicherheit, Einhängen der Karabiner und Stürze (am besten vermeiden, da man sonst ungebremst in die nächste Zwischensicherung rauscht) geht es direkt zum Edelweiß-Klettersteig, einem recht kurzen Übungsklettersteig direkt hinter der Franz-Senn-Hütte. Interessant finde ich, dass wir jeweils eine Bandschlinge mit Karabiner mitnehmen sollen, wenn wir uns zwischenzeitlich einhaken und ausruhen wollen. Das kannte ich bislang noch nicht.

Der Klettersteig ist ein kurzer Sportklettersteig (Schwierigkeit etwa C), der die rund 100 Meter hohe Felswand hinter der Hütte ziemlich senkrecht hinaufführt. Ich bin eigentlich kein großer Klettersteig-Fan und meine bisherigen Erfahrungen beschränken sich auf einfachere B oder B/C-Steige in den Brenta-Dolomiten. Das Rumkraxeln macht aber schon ein bisschen Spaß, wobei das hier schon stark in Richtung Klettern geht. Von alleine würde ich nicht auf die Idee kommen, solche Felswände zu erklimmen.

Richtig spannend wird es dann aber erst danach: Einen halben Kilometer Richtung Talschluss befindet sich ein weiterer Steig, der Höllenrachen-Klettersteig. Der Name kommt nicht von ungefähr: Der Klettersteig schlängelt sich durch eine unterirdische Schlucht, die der Alpeiner Bach auf seinem Weg ins Tal in den Fels gegraben hat. Highlight: Eine Stelle zum Einseilen, an der man sich am Seil baumelnd über die tosenden Wasser des Wildbachs ziehen muss.

Auf dem Weg in den Höllenrachen. Der Klettersteig ist sehr kurz aber Nervenkitzel pur, da er unmittelbar über einem wilden Gebirgsbach verläuft.

Als Schwierigkeit für diesen Klettersteig wird die Kategorie D angegeben, was definitiv außerhalb meiner Komfortzone liegt. Hier sind die Tritte schon ziemlich begrenzt und die Wände durch das Wasser zudem ziemlich glitschig. An der Seilrutsche baumele ich erstmal ein paar Minuten wie ein Fisch am Haken, der Steig ist aber nur sehr kurz. Am Ende kommen alle unversehrt an. Wow… das war heftig, aber ein cooles Erlebnis.

Und weil’s so schön ist üben wir danach nochmal Abseilen. Das macht wirklich Laune – zu blöd, dass man dafür immer erst die Steilwand hochklettern muss.

Jetzt wird’s ernst…

Am nächsten Tag gibt es erstmal eine ausführliche Lektion zum Thema Navigation. Auf dem Programm stehen verschiedene Kompass-Techniken, z.B. vorwärts und rückwärts einschneiden und der Umgang mit Karten. Hier fühle mich schon eher in meinem Element, weil ich das von meinen Trekking-Touren kenne und auch schon selber geübt habe. Danach geht’s dann aber gleich wieder in Richtung Neuland: Klettern am Seil im Klettergarten der Franz-Senn-Hütte.

Bislang hab ich mich nie wirklich mit Klettern beschäftigt, weil es mich auch nicht sonderlich interessiert hat. Ein bisschen Rumkraxeln im 1. und 2. Schwierigkeitsgrad find ich super, weil man da auch keine Sicherung braucht. Und wenn es zu steil wird, suche ich mir halt einen anderen Weg. Senkrechte Felswände hochzugehen ist aber nochmal eine andere Hausnummer. Dementsprechend hab ich doch ein etwas flaues Gefühl im Magen.

Die Route, die wir hochgehen sollen, ist mit der Schwierigkeit 3- bzw. 2+ ausgezeichnet. Für mich sieht es in diesem Moment aber vor allem supersteil aus. Es ist nicht komplett senkrecht, aber es fehlt auch nicht mehr viel dazu. Kursleiter Bernhard geht das ganze ungesichert im Vorstieg hoch um das Seil für uns auszulegen. Theoretisch kann uns bei einem Sturz nichts passieren, weil man immer im Seil hängt. So richtig entspannt sieht das Ganze für mich trotzdem nicht aus.

In diesem Moment wird mir vielleicht zum ersten Mal richtig klar, dass zum Bergsteigen auch zählt, senkrechte Steilwände zu überwinden. Und da hört es bei mir irgendwie auf.

Die anderen haben schon ein bisschen Kletter – und Boulder-Erfahrung und machen sich nacheinander hoch in den Fels auf. Ich kann mich beim besten Willen nicht dazu aufraffen. Die unterbewusste Angst vor einem Absturz spielt da bestimmt auch eine Rolle. Vor allem fehlt mir aber völlig die Motivation diese Felswand hochzugehen. Bernhard versucht noch ein paar Mal mich aufzumuntern aber nee… richtiges Felsklettern ist dann noch nicht meine Sache.

Man könnte das jetzt auch als Rückschlag ansehen. Für mich ist das in dem Moment völlig ok. Ich habs jetzt zumindest mal live gesehen und es muss auch nicht jeder alles können oder machen. Was mich aber doch etwas wurmt ist, dass wir gleich mit so einer Route angefangen haben. Irgendwo macht es natürlich Sinn, um die Sicherungen und die Seiltechnik zu üben. Aber etwas Leichteres wäre in einem Anfängerkurs ja auch nicht schlecht gewesen, einfach um ein bisschen besseres Gefühl für solches Alpingelände zu bekommen.

Innere Sommerwand: Die erste Hochtour

Genau das gibt’s erfreulicherweise am nächsten Tag: Die erste Hochtour steht an. Unser Ziel ist die Innere Sommerwand (3122m) – ein recht leichter 3.000er, der aber nur über einen Gletscher erreicht werden kann. Da wir in den letzten Tagen keine Zeit mehr für Gletscherübungen hatten, erledigen wir das Ganze in einem Rutsch. Am unteren Rand des Gletschers gibt es also erstmal ein paar Übungen, wie man einen Eispickel benutzt und sich mit Steigeisen fortbewegt.

Laufen mit Steigeisen auf dem Gletscher beim Hochtourenkurs.

Nach dem Vortag und meiner Verweigerung, die Felswand hochzuklettern ist Bernhard etwas skeptisch, ob wir den Aufstieg packen. Die Übungen laufen aber gut, auch wenn sich das Rumstapfen in den unförmigen Steigeisen zunächst etwas ungewohnt anfühlt. Der Weg über den Gletscher zur Kräulscharte ist mäßig steil und wir halten uns abseits der Spaltenzone. Daher verzichten wir auf die Sicherung mit Seil. Nicht ganz wie es im Lehrbuch steht, aber unser Kursleiter versichert uns, dass das in diesem Fall ok ist.

An der Scharte angekommen, heißt es erstmal wieder die Steigeisen ablegen. Dann geht es weiter hoch. Beim Einstieg tue ich mich etwas schwer, da die Felsplatten ziemlich glatt sind. Danach wird es aber schnell einfacher. Das letzte steile Stück führt an einem Fixseil in leichter Kletterei, eigentlich eher Kraxelei, bis zu dem etwas ausgesetzten Blockgrat. Von da aus sind es dann noch ein paar Minuten in herrlich wildem Alpingelände bis zum Gipfelkreuz.


Mit den Übungen am Gletscher ist es ein langer Tag. Insgesamt 10 Stunden sind wir unterwegs. Aber es hat einen Riesenspaß gemacht. Gerade das Rumkraxeln bis zum Gipfel ist ziemlich genau das, was ich mir von dem Hochtourenkurs erwartet habe: Kein normales Wandergelände mehr, aber auch kein technisches Felsklettern für das man zwingend ein Seil braucht. So etwas könnte ich mir in Zukunft wirklich einmal vorstellen selbst zu planen.

Wanderung über den Gletscher ohne Seilschaft.

Zufrieden, dass wir unsere erste Hochtour erfolgreich bestanden haben geht es zurück zur Hütte und auch unser Chef ist sichtlich erfreut, dass wir uns keine größeren Dummheiten geleistet haben. Etwas blöd ist, dass wir die Spaltenbergung aus Zeitmangel nicht am Gletscher üben konnten. Aber wir wollten einfach alle auf den Gipfel hoch und der allgemeinen Moral war das auch sicher zuträglich.

Das Thema Spalten holen wir am nächsten Tag nach. Hinter der Franz-Senn-Hütte gibt es praktischerweise eine Steilstufe an der man die Bergung ganz gut als Trockenübung simulieren kann. Wir sind fast den ganzen Tag zugange und üben sehr ausführlich. Jeder darf jede Position am Seil mehrmals üben (auch als Spaltenopfer) und am Ende bin ich zwar noch lange kein Profi aber ich hab zumindest ansatzweise verstanden, worum es geht. Den Rest des Tages verbringen wir dann noch mit den Themen Tourenplanung und Gehzeitberechnung.

Trockenübung zum Spaltenbergen in der Nähe der Franz-Senn-Hütte.

Bergtour zur Rinnenspitze

Tag 6 ist der letzte volle Tag. Den wollen wir für eine Bergtour zur Rinnenspitze nutzen, einem einfachen „Wander-3.000er“. Bernhard ist diesmal nicht dabei. Wir sollen alles, was wir in den letzten Tagen zur Tourenplanung gelernt haben, anwenden, hoch auf den Berg und heil wieder herunterkommen. Inzwischen fühlen wir uns alle schon ein bisschen wie Profis und es wird eine sehr schöne Tour, die wir ohne Komplikationen hinter uns bringen.

Auf dem Weg zur Rinnenspitze.

Ganz so einfach ist die Rinnenspitze dann aber doch nicht. Es ist schon eine richtige Bergtour und gerade auf den letzten Metern ziemlich luftig. Bereits vor der Tour haben wir deshalb ausgemacht das Klettersteig-Set mitzunehmen und am Ende war das auch die richtige Entscheidung. Den Nachmittag verbringen wir mit einer Nachbesprechung des Kurses. Außerdem gibt es noch einmal ein paar Worte zum Thema Umwelt und Klimawandel.

Blick auf den Sommerwandferner Gletscher.
Gletscherschwund am Sommerwandferner. Wo früher alles von Eis bedeckt war, kommen heute vor allem Geröllwüsten zum Vorschein.

Leider haben wir die negativen Folgen in den letzten Tagen ausführlich beobachten können: Die Gletscher sind an allen Orten auf dem Rückzug. Bernhard, der schon seit Jahrzehnten hierherkommt, hat wiederholt die Befürchtung geäußert, dass die Franz-Senn-Hütte aufgrund des Gletscherschwunds in Zukunft als Stützpunkt für Anfängerkurse und erste Gletschererfahrungen komplett ausfallen könnte.

Soweit ist es zum Glück aber noch nicht – und den letzten Abend verbringen wir bis zuletzt in der gemütlichen Gaststube, wo wir die vergangenen Tage Revue passieren lassen. Wie es der Zufall will, ist an diesem Abend auch der Leiter der Berliner Hochtourengruppe auf der Hütte. So kann man dann auch gleich mal den Kontakt für künftige Touren knüpfen. Am nächsten Tag fährt der Rest der Gruppe wieder nach Berlin. Für mich geht es noch ein paar Tage auf dem Stubaier Höhenweg weiter.

Hochtour zur Inneren Sommerwand Gipfelkeuz.

Mein Fazit zu dem Hochtourenkurs

Dieser Kurs war nicht ganz das, was ich mir darunter vorgestellt habe. Für meinen Geschmack war es etwas viel Kletterei und ein bisschen zu wenig Gletscher. Was vielleicht aber auch zu erwarten war. Gut möglich, dass ich da etwas zu unvoreingenommen an die Sache herangegangen bin und mir mal genauer hätte durchlesen sollen, was „Felstour“ eigentlich genau bedeutet.

Trotzdem war es eine gute Erfahrung, die ich nicht missen möchte. In den insgesamt sechs Tagen haben wir auch abseits vom Klettern jede Menge nützliche Skills für die Berge gelernt, gerade was Tourenplanung, Wetterkunde und Navigation angeht. Nach dem Kurs habe ich außerdem eine deutlich bessere Vorstellung davon, was Bergsteigen bedeutet. Genauso wie ich jetzt weiß, dass ich in Zukunft wohl auch weiter dem Wandern treu bleibe und keine großartigen alpinen Ambitionen entwickeln werde.

Nochmal kurz zusammengefasst was ich gut und nicht so gut fand:

Was mir an dem Hochtourenkurs gefallen hat

  • Kleine Gruppe: Dadurch war viel Zeit für jeden Teilnehmer und es konnte auch wirklich auf alle Fragen eingegangen werden
  • Sehr ausführliche Erklärungen und Lektionen zu den Themen Wetterkunde, Navigation, Orientierung und Tourenplanung
  • Die Hochtour auf die Innere Sommerwand: Ein Supererlebnis in hochalpiner Umgebung. Nicht zu leicht, nicht zu schwer und eine tolle Motivation, solche Touren in Zukunft selbst mal auszuprobieren
  • Gute Stimmung in der Gruppe und eine tolle Kursleitung: Auch wenn wir uns manchmal etwas schusselig am Seil angestellt haben, blieb es immer entspannt.

Was mir an dem Hochtourenkurs nicht so gefallen hat

  • Manche Inhalte kamen zu kurz: Kein Gehen in der Seilschaft, keine Sturzübungen am Gletscher und auch keine Übungen mit Eisschrauben.
  • Für meinen Geschmack etwas zu kletterlastig
  • Fortbewegung in schwierigem Gehgelände mit leichten Klettereien (I. – II. Schwierigkeitsgrad) wurde auch etwas vernachlässigt. Ein bisschen schade, vor allem weil wir in dem Kurs ja auch gelernt haben, dass gerade hier die meisten Unfälle passieren.

Fazit

Wer nur auf Gletschern wandern möchte und vielleicht ein paar einfachere Gipfel ohne großartige Klettereien besteigen möchte, ist mit einem reinen Gletscherkurs wahrscheinlich besser bedient. Ich werde so einen Kurs vermutlich auch nochmal machen. Wir haben fast alle wichtigen Aspekte zwar behandelt und auch gut geübt, aber gerade Spaltenbergung und Gehen in der Seilschaft würde ich dann doch nochmal gerne in echt üben.

Eine Sache ist außerdem klar: Nach so einem Kurs ist man immer noch Anfänger. Mit dem Unterschied, dass man jetzt alles mal gehört und auch vielleicht auch ein paar Mal geübt hat. Aber in Fleisch und Blut geht das nur über, wenn man jahrelang unterwegs ist. Am besten mit Leuten, die erfahrener sind als man selbst. Und wenn ich unserem Kursleiter beim abendlichen Bier so zugehört habe, gehört dazu wohl auch, dass man jede Menge brenzliger Situationen am eigenen Leib erfährt – und so gut übersteht, dass man der Nachwelt noch davon berichten kann.

Hochtour zur Inneren Sommerwand.

Praktische Infos zum Hochtourenkurs im Stubaital

Zum Schluss noch ein paar praktische Infos, wenn du selbst überlegst, mal so einen Hochtourenkurs zu machen. Ich kann hier nur für die Sektion Berlin des Alpenvereins sprechen. Aber ich schätze in anderen Sektionen des DAV wird es ähnlich ablaufen.

Kosten

Für den Grundkurs Fels und Eis habe ich knapp 280 Euro bezahlt. Dazu kamen dann noch die Kosten von 433 Euro für 7 Übernachtungen mit Halbpension auf der Franz-Senn-Hütte. Macht Summa Summarum also etwa 730 Euro. Natürlich will man mittags auch mal eine Kleinigkeit essen und wenn man abends zusammensitzt kommt schnell das eine oder andere Bier zusammen. Bei mir waren das nochmal 200 Euro, außerdem noch die knapp 50 Euro für den Materialverleih. Insgesamt bin ich damit auf rund 1000 Euro gekommen.

Dauer

Der Hochtourenkurs dauerte vom 15. bis 22.08., also sieben Tage. Effektiv genutzt haben wir davon volle sechs Tage – die waren dann allerdings ziemlich vollgepackt mit Programm. Ich habe mich bewusst für einen längeren Kurs entschieden. Viele kommerzielle Hochtourenkurse dauern 4 Tage. Soweit ich das gesehen habe, werden dabei dann aber nur zweieinhalb Tage wirklich voll genutzt. Wenn man dann noch die Übernachtungen für die Hütte dazurechnet, ist das letztlich teurer als beim DAV.

Blick auf die Franz-Senn-Hütte beim Hochtourenkurs.

Und sonst?

Noch ein paar Sachen, die ich von dem Hochtourenkurs mitgenommen habe:

  • Hochtouren sind eine ziemliche Materialschlacht. Mit Seil, Gurt, Schlingen, Steigeisen, den ganzen Karabinern usw. stapft man ziemlich vollbepackt durch die Berge. Mit Ultraleicht-Wandern hat das nicht viel zu tun und auf einer mehrtägigen Tour mit kompletter Ausrüstung dürfte der Rucksack ziemlich schwer werden.
  • Das An-und Ablegen der Ausrüstung während der Tour nimmt überraschend viel Zeit in Anspruch. Gerade wenn man mit einer Gruppe unterwegs ist, sollte man das nicht unterschätzen. Bei uns ging insgesamt bestimmt eine Stunde dafür drauf. Bei erfahreneren Leuten vermutlich weniger.
  • Das Gehen über den Gletscher hat sich jetzt erstmal nicht so viel anders angefühlt als ein „normales“ Schneefeld. Interessant fand ich auch, dass es bei guten Bedingungen (ausgeaperter Gletscher mit sichtbaren Spalten) durchaus vertretbar ist, den Gletscher ohne ein Seil zu begehen. Das wusste ich vorher nicht.
  • Für eine einfache Hochtour wie unser Ausflug auf die Innere Sommerwand muss man kein Kletterer sein. Letzlich hat sich diese Tour gar nicht so sehr von einer schweren Bergwanderung unterschieden, nur dass das Gelände ein bisschen wilder ist und man mehr Ausrüstung mitschleppt.
  • Wenn man die Inhalte aus dem Kurs nicht selbst übt und wiederholt, vergisst man vieles relativ schnell wieder. Geht mir leider genau so, da ich danach keine Hochtouren mehr gemacht habe und mindestens bis zum nächsten Sommer warten muss.

An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an den Berliner DAV. Die Kurse in der Sektion werden von Ehrenamtlichen durchgeführt, die nicht großartig dafür bezahlt werden, in ihrer kostbaren Freizeit mit Newbies durch die Berge zu stiefeln. Unser Kursleiter Bernhard Niebojewski ist beispielsweise gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der Sektion und hat sicherlich sonst noch genug zu tun. Zusätzlich noch solche Kurse anzubieten und sein Wissen an Anfänger weiterzugeben ist alles andere als selbstverständlich. Das verdient großen Respekt!

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