- Route: Hermigua – El Palmar – Enchereda – San Sebastiàn de La Gomera
- Länge: 29,2 km
- Höhenmeter: + 1777, – 1979
- Übernachtung: Apartamentos La Villa 2 (51 Euro/Nacht)
Der letzte Tag ist die einzige Etappe, die ich durchgängig dem offiziellen GR 132 folge. Ein bisschen wurmt es mich schon, dass ich gestern wieder einen halben Tag verloren habe. Eigentlich hätte ich gerne etwas mehr vom Majona-Nationalpark gesehen – die Idee war auf einem alten Pfad, dem „Stangensteig“ bis zu den geheimnisvollen „Cuevas Blancas“ zu laufen und dort zu übernachten.
Hilft aber auch nichts, sich jetzt drüber aufzuregen. Manchmal muss man Pläne eben ändern und das beste aus einer Situation machen. Gegen 7:30 Uhr bin ich startbereit. Mit vier Liter Wasser im Gepäck geht es los – der letzte Tag wird nochmal richtig lang. Bis San Sebastian sind es knapp 30 Kilometer.
Da ich im oberen Teil von Hermigua übernachtet habe, muss ich erst wieder an die Küste runter. Einen Wanderweg gibt es nicht – ich laufe einfach an der Straße lang. Nicht sehr spannend, aber immerhin kann man so gut Strecke machen. Nach einer halben Stunde bin ich wieder am Strand und nehme die Abzweigung nach Osten.
Der erste Anstieg erfolgt auf einem Schotterweg. Relativ schnell mündet der GR 132 dann aber auf eine Straße und so geht es dann ein gutes Stück weiter. Anscheinend verirren sich nicht so viele Wanderer in diesen Teil der Insel, vielleicht gibt es auch keine sinnvollen Möglichkeiten einen Weg anzulegen. Jedenfalls läuft man hier einfach auf der Straße und genießt die Blicke aufs Meer.
Autos sind hier keine unterwegs. Würde auch eigentlich wenig Sinn machen, da es im Nordosten der Insel keine Dörfer und damit keinen echten Grund gibt, hier lang zu fahren. Die einzige Siedlung, die ich sehe, taucht nach einigen Kilometern auf – ein Ansammlung von Hütten, deren Gärten aber tatsächlich noch bepflanzt werden.
Danach wird es zunehmend einsamer. Die Straße endet nach einiger Zeit an einer Schotterpiste. Ein Schild informiert darüber, dass die Piste wegen Erdrutschgefahr für Fahrzeuge gesperrt ist. Für Wanderer scheint das nicht zuzutreffen, also gehe ich weiter. Einen anderen Weg gäbe es aber sowieso nicht.
Ein Stück weit folgt der Weg noch der Küste, schließlich gelange ich zu dem verlassenen Dorf El Palmar. Dorf ist eigentlich eine Übertreibung – es ist bloß ein einzelnes großes Gebäude, die Tür ist aber immerhin noch mit einem Schloss verriegelt. Im Dickicht nebenan rostet ein alter Jeep vor sich hin. Geschätztes Baujahr 1970 und wahrscheinlich war das auch das letzte Mal, das jemand hier gelebt hat.
Ein sehr alter, sehr windschiefer Wegweiser führt auf einen schmalen Trampelpfad, der nach ein paar Minuten in einer Mischung aus Stacheldraht, Wolfsmilchgewächsen und Dornenbüschen endet. Keine Chance – heute habe ich keine Lust auf Experimente. Zum Glück findet sich ein paar hundert Meter ein Schild neueren Datums, das etwas vertrauenswürdiger aussieht und dem ich folge.
Hinter El Palmar steigt der Weg steil an – knapp 700 Höhenmeter fallen bis zum Fuß des Enchereda an, der den höchsten Punkt des Tages markiert. Hier erweist es sich tatsächlich als Vorteil auf einer Schotterpiste zu laufen. Die vielen Kehren hochzulaufen, ist zwar anstrengend aber ich komme trotzdem gut vorwärts.
Am höchsten Punkt durchquert die Piste eine kleine Schlucht – danach ist es geschafft. Die Berge bleiben zurück, die Landschaft öffnet sich und gibt einen fantastischen Blick frei: Links stürzen die Klippen steil bis ans Meer, am Horizont der Teide, der so aussieht als würde er in der Luft schweben. Laut Schild am Wegesrand sind es nur noch 18 Kilometer bis San Sebastian sind. Alles im grünen Bereich.
Die nächsten Stunden folgt die Piste dem natürlichen Verlauf der Täler, meist in mittlerer Höhe zwischen den Bergkämmen und dem Talboden. Es ist eine fantastische, weitläufige und wilde Landschaft. Viel Grüner als im vertrockneten, sonnengebleichten Süden, aber vielleicht auch noch einsamer: Spuren von Siedlungen sind so gut wie nicht vorhanden, wenn überhaupt nur ein paar vereinzelte Terrassen und verfallene Wasserbecken.
Was sich hingegen in regelmäßigen Abständen findet: Wegmarkierungen des GR 132. Da ich den Weg in der entgegengesetzten Richtung laufe, schrumpfen die Kilometerangaben, je weiter ich mich dem Ziel nähere. Eigentlich gar nicht schlecht. So kann ich immer schön sehen, wie gut ich vorankomme. Und da ich auf Schotterpiste laufe, mache ich ordenlich Strecke.
Nach Stunden des Wanderns in dieser wildromantischen Landschaft komme ich an einigen Häusern vorbei, die auf meiner Karte mit „Enchereda“ bezeichnet werden. Von weitem sieht es für einen Moment fast so aus, als ob die Gebäude noch intakt sind. Aber als ich näherkomme, sehe ich die eingestürzten Mauern und Dächer. Anscheinend auch verlassen.
Allerdings entdecke ich einen Wasserspeicher. Als ich schon weit an der Siedlung vorbeigelaufen bin, schaue ich zurück und kann einen guten Blick in den Speicher werfen. Da schimmert tatsächlich Wasser in der Sonne. Unglaublich – und um so ärgerlicher, dass ich keine Zeit habe, das auszunutzen. Naja… vielleicht beim nächsten Mal, wenn ich vorbeikomme.
Die letzten Kilometer im Majona-Nationalpark sind dann noch mal pure Magie: Ein sanfter Wind kommt auf, Schmetterlinge flattern zwischen den bunten Wildblumen, ein Wanderfalke zieht einsam seine Kreise. Im Hintergrund erhebt der Teide auf der Nachbarinsel Teneriffa sein Haupt zwischen den Wolken. Zum großen Finale bietet La Gomera das volle Programm.
Sogar die Piste verwandelt sich schließlich in einen echten Wanderweg. Ich erreiche eine Kuppe und sehe weit unter mir die Inselhauptstadt San Sebastian. Wie zu erwarten war, täuscht die Entfernung aber und das letzte Stück zieht sich dann doch noch mal ziemlich. Statt auf dem direkten Weg zu führen, baut der GR 132 zum Schluss nämlich noch einige große Schlenker ein.
Am Ende wird die Landschaft wieder spürbar karger. Irgendwann lande ich auf einer etwas unspektakulären Landstraße. Asphalt, verrostete Zäune, ein windschiefer Telefonmast – willkommen zurück in die Zivilisation. Nach solchen großartigen Touren durch die Natur immer ein leichter Dämpfer, vor allem da ich noch einige Kilometer durch die leicht verwahrlosten Außenbezirke von San Sebastian laufen darf.
Aber dann erreiche den zentralen Plaza de las Amèricas, an dem ich vor zwei Wochen gestartet. Es ist 17:30 Uhr. Alles ist gut. Ich habe es geschafft. Ich bin einmal um La Gomera gelaufen. Zwar nicht ganz wie geplant, aber am Ende zählt nicht die Strecke, die ich gelaufen bin, sondern die Eindrücke die ich unterwegs gesammelt habe. Und die werde ich so schnell nicht vergessen.
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