GR 132 auf La Gomera – Tag 4: Valle Gran Rey – Vallehermoso

  • Route: Vueltas (Valle Gran Rey) – Merica – Arure – Garajonay-Nationalpark – Vallehermoso
  • Länge: 22 km
  • Höhenmeter: +1513, – 1327
  • Übernachtung: Telegraph Hostel (21 Euro/Nacht)

Heute geht es ziemlich früh raus, da ich quasi den kompletten Westen der Insel an einem Tag durchqueren will. Größere Probleme erwarte ich aber nicht – ein gutes Stück des Weges folgt dem offiziellen Verlauf des GR 132. Außerdem fallen bis auf den ersten Anstieg auch nicht übermäßig Höhenmeter am Stück an – sollte also alles im grünen Bereich sein.

Von Vueltas laufe ich noch ein Stück am Strand entlang bis nach La Playa und genieße die Morgensonne und das Meer. Viele Leute sind noch nicht unterwegs, aber generell ist das Valle Gran Rey ziemlich entspannt. Der Ort gilt zwar als die Top-Feriendestination auf La Gomera aber im Vergleich zu den Hotelburgen im Süden von Teneriffa geht das hier alles sehr zivil zu.

Hinter dem Ortsteil La Calera führt der GR 132 steil auf die Merica-Hochebene.

Bei La Calera laufe ich dann auf dem offiziellen GR 132 in die Berge. Der Anstieg ist schon ziemlich happig – es geht quasi von Null auf 800 Meter. Dafür sind die Aussichten in das Valle Gran Rey bombastisch. Von hier oben sieht man erst richtig das Ausmaß der Schluchten und bekommt ein Gefühl für die Kräfte, die hier gewirkt haben müssen, um die Canyons aus der Landschaft zu fräsen.

Tiefblick auf das Valle Gran Rey von der Merica-Hochebene.

Im Unterschied zum Grün der Schlucht ist die Merica-Hochebene eine staubtrockene, karge Steppenlandschaft. Sonnengebleichte Gräser, stachelige Dornenbüsche und ein paar niedrige Bäume – mehr wächst hier oben nicht. Unterwegs komme ich an ein paar zerfallenen Almen vorbei, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich haben. Meine einzigen Wegbegleiter sind ein paar Ziegen, die in den Felsen herumturnen.


Bei Arure zweige ich wieder vom GR 132 ab. Der offizielle Verlauf führt jetzt weiter nach Norden und folgt der Küste, umgeht dabei aber komplett den Garajonay-Nationalpark. Den will ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Ursprünglich wollte ich unterwegs noch nach Las Hayas. Da war ich aber schon bei der Tagestour gestern, also laufe ich mehr oder weniger querfeldein auf einem alten Trampelpfad.

Nach meinen Exkursionen im Süden, bin ich inzwischen etwas vorsichtiger, was die Wege angeht. Und auch hier endet der eigentlich auf der Karte eingezeichnete Pfad nach ein paar Hundert Metern wieder im Nirgendwo. Das Gelände ist hier aber deutlich freundlicher: Auf den Wiesen kommt man auch weglos gut voran, nach einer kurzen Kraxelei über einen mit Kakteen bewachsenen Hügel bin ich wieder auf Kurs.


Schließlich betrete ich den Garajonay-Nationalpark von Südwesten und schlagartig ändert sich die Landschaft. Die Kakteen und Palmen bleiben zurück, stattdessen führt der Weg durch eine hügelige, offene Waldlandschaft.

Eine absolute Seltenheit auf La Gomera und eigentlich nur im Garajonay-Nationalpark zu finden: Ein Bach der Wasser führt.

Bald habe ich ein kleines Flüsschen erreicht, an dem ich mir erstmal die Füße kühle. Was für eine Wohltat…

An der quer durch die Insel verlaufenden Haupstraße GM-2 erreiche ich den höchsten Punkt des Tages auf knapp 1.100 Metern. Kurz dahinter geht es wieder in den Wald und die nächsten Stunden sind einfach nur Laufen und Staunen. Der berühmte Lorbeerwald von La Gomera, der Laurisilva, nimmt mich in seinen Bann und ich komme aus dem Fotoknippsen gar nicht mehr heraus.


Ich bin eigentlich nicht der allergrößte Fan von ausgedehnten Waldwanderungen. Meistens wird mir dabei ziemlich schnell langweilig, weil die Weitblicke fehlen. Aber das hier ist eine Vegetation, die so dermaßen anders aussieht als mitteleuopäische Wälder, dass ich gefühlt alle zwei Meter stehen bleiben muss.

Am faszinierendsten finde ich die nur auf den Kanaren wachsenden Gagelbäume. Die schlanken, knorrigen Äste sind mit dichtem grünem Moos bewachsen und in geradezu fantastischen Formen ineinander verschlungen. Von manchen Zweigen hängen Bartflechten, dazwischen wachsen meterhohe Farne im dichten Unterholz.

Wandern wie im „Jurassic Park“: Der Nebelwald La Gomeras stammt tatsächlich aus der Urzeit und konnte hier überleben, weil die Insel von den letzten Eiszeiten verschont blieb.

Bald darauf habe ich aber auch schon wieder das nördliche Ende des Nationalparks erreicht. Nach Osten hin öffnet sich der Urwald und gibt den Blick auf dicht bewaldete grüne Täler frei. Der Weg führt schließlich immer steiler in das Tal von Vallehermoso. Schließlich taucht am Horizont der mächtige Roque Cano hoch über den Terrassen des Tals auf.

Auf dem Weg nach Vallehermoso taucht der markante Roque Cano am Horizont auf.

Dieses letzte Wegstück ist noch einmal ein echtes Highlight dieses an tollen Eindrücken wahrlich nicht armen Tages. Die bunten Häuser der verstreuten kleinen Siedlungen im Tal, darüber majestätisch thronend der Vulkanschlot des Cano – Wow. In diesem Moment bin ich wirklich sprachlos. Hier hat es sich definitiv gelohnt, von der offiziellen Route des GR 132 abzuweichen.

Gekrönt wird das Ganze dann noch von der „Embalse de Encantadora“. Der hinter einer schwindelerregend hohen Mauer künstlich angelegte Stausee erscheint mir gerade nach den kargen Landschaften im Süden in diesem Moment wie das leibhaftig gewordene Paradies. So viel Wasser auf einem Fleck… unglaublich.

Die Stauseen La Gomeras befinden sich in der Regel am unteren Ende der Barrancos und sammeln das wenige Wasser, das von den Bergen herabfließt.

Während die Sonne langsam untergeht und die Landschaft in ein weiches Licht taucht, bleibe ich einfach nur stehen und genieße. Ein paar Enten ziehen träge auf dem Wasser ihre Runde, ansonsten keine Menschenseele weit und breit, die die Stille stören würde – ein absolut magischer Augenblick.

Danach geht es noch einmal 150 Höhenmeter über einen kleinen Bergrücken, die ich nach dem langen Marsch jetzt doch spüre. Aber schon bald sehe ich unter mir den Dorfplatz von Vallehermoso. Eine halbe Stunde später checke ich im Hostel ein und lasse den Tag zufrieden auf der Dachterrasse ausklingen. Das war bis jetzt eindeutig die beste Wanderung auf La Gomera und ich habe ja gerade erst knapp die Hälfte der Insel gesehen.

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