- Route: Vallehermoso – Tamargada – Las Rosas – Cañada Grande – Agulo
- Länge: 14 km
- Höhenmeter: + 1269, – 1261
- Übernachtung: Hotel Rural Casa Lugo (50 Euro/Nacht)
Nach zwei Tagen in Valle Hermoso breche ich auf. Die wunderschöne „Hauptstadt des Nordens“ ist der am reizvollsten gelegene Ort La Gomeras, den ich bis jetzt gesehen habe. An den morgendlichen Blick auf die grünen Hügel und die beiden mächtigen Schluchten, in denen früher Zuckerrohr angebaut wurde werde ich mich noch lange erinnern Aber jetzt ist es Zeit aufzubrechen.
Der offizielle GR 132 teilt sich vor Vallehermoso: Eine Variante führt direkt ins Landesinnere, die andere steigt vom Playa de Vallehermoso in die Berge, um dann grob der Küste zu folgen. Ich wähle diese Variante, weil ich unterwegs noch die altkanarischen Dörfer Tamargada, Simancas und Las Rosas anschauen möchte, die auf dem Weg liegen.
Weil ich bereits am Vortag am Strand von Vallehermoso war, wähle ich aber einen etwas anderen Weg. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Obstplantagen des Tals in Richtung Süden, zweige ich am Barranco de la Culata ab, anstatt bis ganz zum Strand runterzulaufen. Ansonsten müsste ich die ganzen Höhenmeter direkt wieder hochlaufen und da hab ich nicht unbedingt Lust drauf.
Der Weg durch den Barranco ist steil aber nicht zu anstrengend. Langsam verschwindet der Roque Cano hinter mir. Als ich die Anhöhe erreiche, breitet sich unter mir das Örtchen Pie de Cuesta zwischen Palmen und Terrassen aus. Wieder eines dieser perfekt in die Landschaft eingebetteten Kanaren-Dörfchen, das so wirkt als hätte man es nur erbaut, um den passenden farblichen Akzent zur Umgebung setzen.
Tamargada passiere ich weit oberhalb. Im Prinzip sind es nur ein paar Häuschen, die sich an die Terrassen schmiegen – einige davon im traditionellen Langhaus-Stil erbaut. Direkt gegenüber auf der anderen Seite des Tals befindet sich der nächste Ort Simancas. Wie in Gomera üblich, muss ich natürlich zuerst ganz runter zum Talboden und dann direkt wieder 500 Meter den Berg hoch.
Auf knapp 700 Metern hab ich erfreulicherweise bereits den höchsten Punkt des Tages erreicht. Auf einem schön angelegten Höhenweg laufe ich durch die halbverwilderte Kulturlandschaft. Es fühlt sich ähnlich wie im Süden an, aber alles ein wenig entspannter. Das Gras ist grüner, die Blumen bunter, es gibt weniger Kakteen und die Wege sind besser. Fast schon ein gemütlicher Spaziergang!
Schließlich erreiche ich den weitgeschnittenen Talkessel von Las Rosas. Die Siedlung verteilt sich über mehrere Terrassen und ist ein gutes Stück größer als die vorigen Dörfer. Auch hier sind aber keinerlei Menschen auf den Straßen oder in den Gärten zu sehen. Vielleicht liegt es an der Hitze. Aber es fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich durch ein altes Filmset laufen, das irgendjemand vergessen hat abzubauen.
Der Weg durch Terrassen gestaltet sich überraschend anstrengend, weil alles komplett zugewuchert ist. Als ich die letzten Häuser hinter mir lasse und wieder an Höhe gewinne, wird es dann aber wieder besser. Auf einem felsigen Pfad über dem Dorf geht es ein paar hundert Meter weiter, bis ich um eine Ecke biege und mich unmittelbar in der wüstenartigen Landschaft des Cañada Grande befinde.
Statt dem Grün der Palmen und der Terrassen dominiert hier rostrote Erde, zerfurcht von tiefen Erosionsrinnen. Was mich aber am meisten fasziniert ist, wie abrupt der Übergang ist. Fast wirkt es so, als hätte ich von einer Minute auf die nächste mal schnell eben den Kontinent gewechselt und wäre ohne Vorankündigung in der afrikanischen Steppe gelandet.
Staunend laufe ich durch die Halbwüste bis ich am Aussichtspunkt Mirador El Abrante lande. Hier hat die auf La Gomera allgegenwärtige Reedereigesellschaft Fred Olsen ein Restaurant mit Skywalk errichtet. Von der gläsernen Aussichtsplattform über dem Abgrund kann man direkt auf das mehrere hundert Meter weiter unten liegende Städtchen Agulo blicken. Wegen Corona hat der Laden aber leider zu.
Die Aussichten auf Agulo vom oberen Ende der Steilwand sind aber auch so ganz gut, auch wenn ich nicht bis ganz an den Rand gehe. Der Boden ist ziemlich bröckelig und ein paar Schritte vor mir geht es über 300 Meter senkrecht runter. Eigentlich unvorstellbar, dass es einen Weg durch diese Wand geben soll, aber genau da geht es jetzt weiter.
Der Weg durch die Steilwand von Agulo ist ziemlich geschickt angelegt. Der schmale Pfad näher sich der Wand über eine Geländestufe von Süden her und nutzt dann jeden Zentimeter ebener Fläche um in steilen Serpentinen ins Tal zu führen. Der Weg ist teilweise recht ausgesetzt, aber an allen kritischen Stellen mit Geländern abgesichert – alles im grünen Bereich.
Der offizielle GR 32 zweigt schon lange vor dem Mirador ab und ignoriert dieses ganze letzte Teilstück. Für mich nicht ganz nachvollziehbar – der Weg ist ein echtes Highlight und die Tiefblicke auf Agulo sind gigantisch: Das Dörfchen mit seinen hübschen weißen Häusern liegt wie auf einem Präsentierteller augebreitet in dem natürlichen Amphitheater der umliegenden Berge – Wahnsinn!
Agulo selbst ist ein netter verschlafener kleiner Ort. Es gibt Geschäfte, ein paar kleine Unterkünfte und Restaurants. Insgesamt wirkt es so, als ob die Zeit hier vor hundertfünfzig Jahren stehen geblieben wäre. Vermutlich fehlen aber einfach die Touristen. Die wenigen Restaurants sind fast alle leer, in dem kleinen Gasthaus bin ich der einzige Gast.
Zum Abschluss des Tages kaufe ich noch ein paar Camping-Vorräte und bereite mich mental auf die nächsten paar Nächte in dem ungemütlich kleinen Zelt vor. Morgen geht es wieder in den Garajonay-Nationalpark, wo ich auf dem einzigen Campingplatz La Gomeras zelten will.
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