Unbekannte Sudeten: Eine Wanderung durch das einsame Warthagebirge

Die Sudeten in Niederschlesien sind hierzulande als Wandergebiet nicht gerade sehr bekannt. Dabei gibt es hier zahllose Möglichkeiten für entspannte Touren durch herrlich einsame, wildromantische Mittelgebirgslandschaften. Diese wunderbare Tagestour führt entlang des Glatzer Kessels durch das Warthagebirge bis zu dem hübschen Provinzstädtchen Kłodzko mit seiner gewaltigen Festungsanlage.

In diesem Artikel:

Die Sudeten hatte ich lange Zeit überhaupt nicht auf dem Schirm. Das Gebirge im Grenzgebiet zwischen Polen und Tschechien ist von meinem Wohnort Berlin zwar relativ schnell erreichbar. Irgendwie hat es mich in den letzten Jahren, bis auf ein paar Trips in die Hohe Tatra, aber doch immer eher in die Alpen gezogen. Nach meinem Unfall im August war an Hochgebirgswanderungen aber erstmal nicht zu denken. Also musste ein neuer Plan her – und da kamen die Sudeten gerade recht.

Die meisten – mich eingeschlossen – kennen dieses Gebirge vermutlich von den „Sudetendeutschen“, die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs aus dem Gebiet vertrieben wurden und ihre Heimat verloren. Gebirgstechnisch ist die Schneekoppe noch recht bekannt, mit 1.603 Metern die höchste Erhebung der Sudeten. Aber natürlich gibt es noch viele viele kleinere Gebirgszüge, die hierzulande meist kein Mensch kennt. So auch das Warthagebirge, in das es mich am Ende verschlug.

Wie genau bin ich da draufgekommen? Eigentlich recht einfach: Ich wollte mit einem Freund ein Wochenende in dem niederschlesischen Städtchen Kłodzko verbringen und wir waren auf der Suche nach einer kleinen Wanderung in der Umgebung. Nicht zu anstrengend, schöne Landschaft und gut mit dem Zug erreichbar – das waren die hauptsächlichen Kriterien. Eine wirkliche Ahnung was uns erwartete, hatten wir nicht, da es kaum Infos zu der Region gibt. Aber am Ende wurde es eine wirklich traumhafte Tour, die auf jeden Fall empfehlen kann.

Und genau deshalb, will ich diese Wanderung jetzt mal kurz vorstellen.

Auf einen Blick:

  • Abwechslungsreiche Mittelgebirgs-Tageswanderung durch das Warthagebirge in den zentralen Sudeten in Niederschlesien, Polen
  • Länge: ca. 20 km
  • Höhenmeter: + 618, – 566
  • Schwierigkeit: leicht
  • einfache, markierte Wanderwege, Markierung: bis zur Hälfte blau-weiß, dann gelb-weiß
  • Start und Ziel gut mit Bahn erreichbar, ideal als Tagesausflug von Breslau aus geeignet
  • zahlreiche weitere Wanderungen in der Umgebung möglich

Das erwartet dich im Warthagebirge

Vorher noch kurz ein paar Worte zum Ort des Geschehens, da du mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie vom Warthagebirge gehört hast. Das Warthagebirge (polnisch: Góry Bardzkie) liegt im Südwesten Polens, etwa 70 km südlich von Breslau in der Provinz Niederschlesien (Dolny Śląsk). Die nächste größere Stadt ist Kłodzko (deutsch: Glatz). Der Ort liegt in einem weitläufigen, von Bergen umgebenen Tal, dem „Glatzer Kessel“.

Die Berge an den Rändern dieses Kessels, so auch das Warthagebirge, sind typisches Mittelgebirge. Nicht sehr hoch (meist um die 1.000 Meter), dicht bewaldet, angenehme Steigungen. Eine freundliche, sanfte, anmutige Hügellandschaft, die von den höchsten Punkten wunderbare Ausblicke auf die Täler und die kleinen Städtchen mit ihren Kirchtürmen und alten Festungen bietet.

Hochgebirge wie die Tatra mit ihren nackten Felswänden und steilen Graten sind spektakulärer. Aber sie erscheinen manchmal auch grausam und menschenfeindlich. Das Warthagebirge ist im Vergleich dazu ein gutmütiges altes Mittelgebirge, das seine wilde Zeit schon lange hinter sich hat und niemandem mehr etwas beweisen muss. Es ist ein stilles, friedliches, weitläufiges Land, in dem man ganz automatisch zur Ruhe kommt und schnell in eine träumerische Stimmung gerät.

Was man praktisch gesehen auch noch sagen kann: Es sind wenig Leute unterwegs. Niederschlesien ist in Polen anscheinend zwar relativ bekannt als Destination für Aktivurlauber. Bis auf ein paar einheimische Wanderer (und eine Gruppe Reservisten beim Wochenend-Manöver) haben wir im Warthagebirge aber keine Menschenseele getroffen. Wenn du deine Ruhe willst und keine Lust auf Menschenmassen hast, bist du hier genau richtig.

Karte und GPX-Datei

GPS-Download

Als Karte bietet sich die Wanderkarte Góry Bardzkie i okolice* im Maßstab 1:35.000 aus dem polnischen Compass-Verlag an. Ich hab mir die Karte erst nach der Tour geholt und nur mit dem GPS-Gerät navigiert. Es ist aber immer besser eine topographische Karte mit dabeizuhaben. Wenn ich sie mir vorher in Deutschland hätte kaufen können, hätte ich das auch gemacht.

Wanderung von Bardo bis Kłodzko durch das Warthagebirge

Als Startpunkt der Tour haben wir uns das Örtchen Bardo ausgesucht, das direkt am nördlichen Rand des Warthagebirges liegt. Hier hält der Zug aus Breslau (ca. 1,5 Stunden Fahrt). Man kann direkt vom Bahngleis aus starten. Ziel ist Kłodzko, das nochmal 3 Stationen weiter an der Bahnlinie liegt. Wir laufen stattdessen eine lange Schleife durch das gesamte Gebirge und nehmen unterwegs den zweithöchsten Punkt mit, den Klodzka Góra (757 m). Hier befindet sich ein sehr schöner Aussichtsturm.

Über Treppen laufen wir von Bardo auf den ersten kleineren Berg. Die Steigungen sind aber allesamt ziemlich moderat.

Als wir frühmorgens in Bardo ankommen liegt das Dorf noch unter dichtem Nebel und jetzt – Mitte November – ist es auch schon ziemlich kalt. Wir überqueren die Gleise auf einer Brücke, und schlagen uns auf einem halboffiziell aussehenden Weg ein paar Treppen den nächsten Hügel hoch. Hundert Meter weiter rechts an der Straße zweigt ein Weg in die Wälder ab, dem wir folgen.

Eine Viertelstunde nach dem Start in Bardo erreichen wir einen Aussichtspunkt, von dem aus wir auf das immer noch vom Nebel bedeckte Städtchen zurückblicken.

Vom Aussichtspunkt geht es weiter auf einem Kreuzweg mit den üblichen Stationen. An einem kleinen Häuschen mit einem hübsch verzierten Jesus am Kreuz zweigen links weitere Treppen ab. Von hier ab bis zum Aussichtsturm am Klodzka Góra ist der Weg durchgängig blau-weiß markiert. An dem Häuschen gibt es sogar ein Schild mit den Attraktionen in der Umgebung. Demnach laufen wir gerade den „Kapellenberg“ hoch.


Nächste Station ist dann auch die besage Kapelle auf 583 Metern. Das Steingebäude selbst ist verschlossen, aber man kann durch die Tür in den Altarraum reinschauen. Hinter dem Haus befindet sich ein steinerner Fußabdruck der Mutter Gottes auf einem Felsen, die sich hier angeblich im 14. Jahrhundert den Gläubigen offenbarte (leider mit einem Gitter verbarrikadiert, ich frag mich wirklich, wer so etwas beschädigen will…) Außerdem gibt es eine schöne Bank, von der aus man den ersten richtig guten Panoramablick auf den Glatzer Kessel im Osten hat.


Danach folgen wir ohne große Höhenunterschiede den Berghängen über den Tälern. Immer mal wieder lichten sich die Bäume und geben tolle Aussichten nach Westen frei. Unter anderem sehen wir eine große Seenkette weit in der Ferne. Die herbstlich gefärbten Bäume an den sanft geschwungenen Bergen erzeugen ein faszinierendes Farbmosaik. Reiner Landschaftsgenuss – und bis auf eine 20-köpfige Gruppe Soldaten (mit Sturmgewehren im Anschlag) sehen wir keine Menschenseele.

Ich hab nicht nachgefragt, was der Sinn dieses Manövers war, die Jungs sahen ziemlich busy aus. Dem etwas fortgeschrittenenen Alter nach könnten es aber Reservisten gewesen sein.

Einige Zeit später erreichen wir die Straße, die wir aber nur kurz überqueren. Hier befindet sich ein Parkplatz, weil es in der Nähe einen Singletrack für Mountain-Bikes gibt. Dementsprechend wird es auf dem nächsten Abschnitt kurz etwas belebter. Was aber auch nicht viel heißt: Uns begegnen vielleicht 20 Leute auf dem Weg zum Aussichtsturm, meistens Einheimische, die mit ihrer Familie zum Klodzka Góra hochpilgern.


Der Aussichtsturm auf dem Klodzka Góra gibt einen beeindruckenden Anblick ab und er ist auch ziemlich hoch – etwa 25 Meter. Die Aussicht von dort oben ist absolut genial. Der komplette Glatzer Kessel liegt einem hier zu Füßen. Als wir oben sind, hält sich der Nebel in den Tälern immer noch beharrlich – ein faszinierendes Schauspiel, und ich komm mir schon ein bisschen wie der berühmte „Wanderer über dem Nebelmeer“ vor.

Über mehrere Stockwerte geht es in die höchste Etage des Aussichtsturms. Der Blick von da oben… musst du selbst sehen!

Der Turm markiert ungefähr die Halbzeit der Tour. Ab hier folgen wir dem gelben markierten Weg nach Westen. Von jetzt an geht es überwiegend abwärts. Gerade im Spätherbst, wo die Bäume immer kahler werden, eröffnen sich immer wieder tolle Aussichten über das neblige Tal. Das Gelände ist aber offen genug, dass dieser Abschnitt auch im Sommer ein echter Hochgenuss sein dürfte.


Auf dem Abstieg überschreiten wir Tannenkoppe (657 m) und Überschaarberg (573 m). Die meisten Berge hier haben durch die wechselvolle Geschichte zweisprachige Namen (polnisch und deutsch). Natürlich sind es eher große Hügel als richtige Berge. Wenn man nicht weiß, dass man gerade drüber läuft und auf die Karte schaut, würde es einem wahrscheinlich gar nicht auffallen.

Schließlich kommen wir an der Schneiderbaude raus (Dom Krawca). Laut Google Maps sollte es hier eigentlich ein Restaurant geben und zum Ende der Tour wäre das natürlich der perfekte Abschluss. Irgendwie können wir aber keinen Eingang entdecken und das komplette Gelände ist eingezäunt. Wenn du mehr Glück hast, gib mir Bescheid – die Hütte ist sogar auf Booking gelistet* und man soll dort übernachten können.


Das letzte Stück führt auf Waldwegen runter ins Tal Marianska Dolina. Unterwegs kommen wir noch an einem verlassenen Turm auf dem Fockeberg (430 m) vorbei. Danach erreichen wir einen hübschen (leider eingezäunten) Weiher. Von hier aus sind es dann noch knapp 30 Minuten ins Stadtzentrum von Kłodzko, wo unsere Ferienwohnung auf uns wartet. Eine Superwanderung ist zu Ende!

Im Folgenden noch kurz ein paar praktische Infos, wenn du diese Wanderung selbst mal machen willst.

So klappt die Anreise in die Sudeten

Bardo ist einfach mit dem Zug von Breslau erreichbar. Die Fahrt dauert ca. 1 Stunde 20 Minuten. Ticket kostet ca. 5 Euro. Von Kłodzko aus fahren ebenfalls mehrere Mal am Tag Züge zurück nach Breslau. Gerade im Sommer oder Herbst, wenn die Tage noch ein bisschen länger sind, kann man diese Tour also bequem als Tagesausflug von Breslau machen.

Übernachten in Kłodzko

Kłodzko ist quasi die Provinzhauptstadt der Region und die größte Gemeinde in dieser Ecke Niederschlesiens. Dementsprechend gibt es hier etliche (vor allem: preiswerte) Optionen zum Übernachten. Wir waren im Apartment Spadzista 3* – eine kleine, aber absolut gemütliche Ferienwohnung mit Küche, TV und allem drum und dran. Perfekt für zwei Personen und mit knapp 80 Euro für zwei Tage auch vom Preis mehr als fair.

Sehenswürdigkeiten in der Umgebung

Kłodzko ist eine sehr hübsche Stadt, die vor allem für die gigantisch große Festung aus der Zeit der preußischen Kriege bekannt ist. Auch die Altstadt ist sehr sehenswert. Der Zugang erfolgt über eine große Brücke, die angeblich wie eine kleinere Version der Karlsbrücke in Prag aussieht. Kann ich nicht beurteilen, da ich noch nie in Prag war. Aber ja… die Brücke macht was her.

Ein sehr spannender Ausflug in der (etwas entfernteren) Umgebung sind die Ruinen von Projekt Riese. Das ist ein riesiger unterirdischer Komplex der Nazis aus dem zweiten Weltkrieg – eine Art geheime „Stadt unter dem Berg“. Hochspannend, von Kłodzko leider etwas umständlich zu erreichen (aber es geht). Weitere Infos dazu in dem verlinkten Artikel.

Eingang zu einem der Tunnel-Systeme von „Projekt Riese“. Der geheime Großkomplex der Nazis liegt etwa 30 km nordwestlich von Kłodzko.

Ausrüstung

Bei der hier beschriebenen Wanderung läufst du durch ein gutmütiges Mittelgebirge. Daher brauchst du nur das, was man auch sonst für Tageswanderungen in einfachem Terrain benötigt:

Ein GPS-Gerät* mit einer Karte der Region sowie dem GPS-Track kann sicherlich nicht schaden (Link zur Freizeitkarte Polen). Zumindest auf dieser Wanderung war der Weg recht gut markiert. Aber es ist schon was anderes als Sächsische Schweiz und Co., wo alle drei Meter ein Wegweiser steht. Alternativ ein Smartphone mit Karten-App. In diesem Fall würde ich unbedingt eine leichte Power-Bank* mitnehmen.

Tipp: Falls du mit dem Gedanken einer mehrtägigen Wanderung spielst, schau dir hier meine Packliste für Mehrtageswanderungen an.

Wandern in der Umgebung von Kłodzko

Kłodzko ist, wie erwähnt, von Bergen umgeben. Neben dem Warthagebirge befinden sich hier noch folgende Gebirgszüge der Sudeten in unmittelbarer Nähe:

Äh…ja. Ich schätze, du kennst keines davon. Aber es sind auf jeden Fall jede Menge Berge. Infos und Wanderführer dazu wirst du in deutscher Sprache kaum finden (bzw. in irgendeiner Sprache außer Polnisch und Tchechisch). Dazu ist diese Gegend einfach zu unbekannt. Am besten ist, sich eine der verlinkten Karten zu besorgen, irgendwo in der Nähe der Berge eine Bleibe zu suchen (viele davon findet man auf Google Maps) und selbst loszuziehen.

Natürlich ist das ein anderes Wandererlebnis als in Deutschland oder den Alpen, wo man sich schnell den Rother holt, eine Tour raussucht und einfach auf den ausgetretenen Pfaden latscht. Aber gerade das macht es ja auch spannend. Wenn du Bock auf Neuland und echtes Erkunden hast, kannst du hier wahnsinnig viel entdecken und wirklich herrliche Landschaften komplett abseits des Wander-Mainstreams erleben.

Mein Fazit

Einfach mal ins Blaue fahren und schauen wo man rauskommt: Manchmal kann das schiefgehen – in diesem Fall war es ein absoluter Volltreffer. Die Gegend rund um Kłodzko hat mich komplett umgehauen und ich hab ja nur einen winzigen Teil davon gesehen. Wenn nicht bald Wintereinbruch wäre, würde ich nächstes Wochenende wahrscheinlich direkt wieder hin fahren. Aber das nächste Frühjahr kommt bestimmt…

Ich sage mir häufig „Da muss ich unbedingt noch mal hin“ und am Ende wird doch nichts draus. Ich glaub das ist hier anders. Das ganze Gebiet liegt so nahe an Berlin und ist so gut mit dem Zug erreichbar, dass man da locker für ein verlängertes Wochenende hinfahren kann. Ich schätze mal, das werde ich in Zukunft etwas öfter nutzen. Das war nicht das letzte Mal das ich in diesem wirklich schönen Fleckchen Erde war.

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Hast du noch Fragen oder Anmerkungen zu dieser Wanderung? Kennst du andere spannende Ecken in Polen zum Wandern? Dann nichts wie ab in die Kommentare – ich freue mich, von dir zu hören!

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