Allein im Dschungel: Was ich gelernt habe als ich mich in Thailand auf Ko Mook verirrte

Thailand. Ko Mook. Eine kleines tropisches Inselchen im Süden des Landes. So klein, dass man sich eigentlich nicht verlaufen kann. Dachte ich mir zumindest. Und dann stand ich auf einmal mitten im Dschungel und wusste nicht mehr vor noch zurück.

Es ist unerträglich warm und die Luft steht fast. Mein Blick reicht nicht weiter als zum nächsten Palmenblatt, bevor er sich im grünen Halbdunkel verliert. Meine Beine sind verkratzt, die Klamotten so durchgeschwitzt, als wäre ich gerade in einen Bach gefallen. Was mir vor ein paar Minuten auch beinahe passiert wäre, als ich durch ein Flussbett gewatet und fast auf einem glitschigen Stein ausgerutscht bin.

Es wird Zeit, dass ich es mir offiziell eingestehe: Ich habe keine Ahnung wo ich bin.

Ich bin mitten im thailändischen Dschungel und habe es tatsächlich geschafft, mich zu verlaufen.

Alles easy als ich am Morgen auf diesem gemütlichen Weg von der Küste aus starte…

Eigentlich nur ein Spaziergang zum Strand

Dabei hat alles so gut angefangen. Ich bin auf Ko Mook, einer winzig kleinen (und hoffnungslos vermüllten) Insel in der Provinz Trang in Südthailand. Viel zu tun gibt es hier nicht. Als mir die Besitzerin meines Bungalows von dem abgelegenen Sapphire Beach an der Nordwestseite der Insel erzählt, bin ich also ganz froh.

Der Weg zu besagtem Strand (auf thailändisch Sabai Beach) führt mitten durch den Dschungel. Das macht die ganze Sache für mich noch besser. Ich wollte schon die ganze Zeit seit ich in Thailand alleine und ohne Führer durch einen richtigen tropischen Wald laufen. Ko Mook ist vielleicht nur 8 Quadratkilometer groß, aber macht ja nichts: Dschungel ist Dschungel.

Außerdem, denke ich mir, kann ich mich auf einer so kleinen Insel ja wohl schlecht verlaufen.

In Wirklichkeit läuft es dann aber etwas anders ab. Rückblickend ist mein Erlebnis das klassische Lehrbuchbeispiel, was passiert, wenn man a) einfach losläuft ohne den Weg zu kennen und b) sich nicht wirklich mit den Einheimischen verständigen kann.

Als sich der Weg plötzlich teilt…

Die Dinge fangen an aus dem Ruder zu laufen, als ich nach einer Stunde auf einem überwachsenen aber noch gut sichtbaren Weg durch den Wald an eine Weggabelung komme. Komisch… davon hat mir meine Gastgeberin heute Morgen gar nichts erzählt.

Geradeaus führt der Weg weiter in den Dschungel, zur Rechten weist ein Schild den Weg zu einem Viewpoint. Ich überlege kurz. Ach… wird schon stimmen. Bestimmt ist das die richtige Richtung und zu Not laufe ich eben wieder zurück.

Ein paar Minuten später lichtet sich der Wald und komme ich auf einem Bergrücken raus. Den Strand kann ich von hier oben zwar nicht sehen, aber ich checke kurz meine Position auf Google Maps. Alles gut, ich muss eigentlich nur noch eineinhalb Kilometer weiterlaufen, dann bin ich da.

Der Viewpoint im Mittelpunkt der Insel.

Neben dem Viewpoint steht eine kleine Hütte und als mich der Besitzer, ein zierlicher Thai, sieht, winkt er mir zu. Ich gehe zu ihm und erzähle ihm, dass ich zu dem Strand will. Das Wort „beach“ scheint er zu verstehen, den Rest eher weniger.

Nachdem er mich auf ein Glas Wasser einlädt und ich mich verabschiedet habe, will ich mich wieder auf den Weg machen. Hinter der Hütte verläuft ein zugewachsener Trampelpfad auf der anderen Seite des Berges herunter und ich folge dem Weg.

Irgendwie scheint das dem Mann nicht so ganz zu gefallen. Er läuft mir hinterher und deutet in die Richtung aus der ich gekommen bin. In gebrochenem Englisch erklärt er mir, dass ich wieder zurückgehen und den anderen Weg an der Abzweigung nehmen soll.

Ich zeige auf den Pfad vor mir, aber er lacht nur. „Difficult, better other way.“ Meint er jetzt, dass das nur schwierig ist oder völlig unmöglich? Mein Versuch es herauszubekommen, scheitert an der Sprachbarriere. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich kein Problem mit einem etwas schwierigen Weg habe. Als Reaktion darauf lacht er nur wieder und schüttelt den Kopf.

Irgendwann merke ich, dass wir so nicht mehr weiterkommen. Wahrscheinlich will er nur höflich sein und mich einfach auf die einfachere Route hinweisen. Ich sage „Goodbye“ und mache mich wieder auf den Weg. Der Mann gibt mir noch ein Daumen-Hoch-Signal und schaut mir noch ein Stück hinterher.

Wer weiß, was der sich jetzt über den verrückten Weißen denken mag, der hier mitten durch die Pampa läuft… Das Gras wird zwar von Minute zu Minute höher und dichter. Aber immerhin gibt es noch einen Weg. Solange ich mich schön daran orientiere, kann mir ja nichts passieren, richtig?

Auf Ko Mook finden sich überall solche Stationen im Wald, in denen Kautschuk verarbeitet wird.

Umdrehen oder weiterlaufen?

Falsch. Nach einer Viertelstunde gibt es eigentlich keinen offensichtlichen Weg mehr und der letzte offensichtliche Rest des Trampelpfades verliert sich im Waldrand vor mir. Und genau hier kommt mir dieser blöde Gedanke, den wahrscheinlich jeder schon mal hatte, der sich danach verlaufen hat.

„Jetzt bin schon so weit gelaufen, da macht es auch keinen Sinn mehr, wieder zurückzugehen.“

Klar, ich könnte auf der Stelle umdrehen. Aber der Strand kann eigentlich nur noch einen Kilometer entfernt sein. Und immerhin gab es bis eben noch einen Weg. Also kann ich ja nicht völlig verkehrt sein.

Ich betrete den Dschungel und versuche so gut es geht, die Richtung zu halten. Am Anfang ist das noch relativ leicht. Das Unterholz ist nicht sonderlich dicht und ich kann den Boden auch noch ziemlich gut erkennen.

Ab und zu komme ich an ein paar Markierungen an Bäumen vorbei. Die Pfeile weisen zwar an in die entgegengesetzte Richtung, aber wahrscheinlich sind das eben die Wegweiser für die Leute, die vom Strand kommen.

Ich rede mir ein, dass ich mich tatsächlich noch auf dem richtigen Weg befinde.  Mit viel Fantasie kann man sich im Unterholz tatsächlich noch einen Trampelpfad vorstellen. Aber je weiter ich laufe, desto weniger freie Stellen gibt es. Und irgendwann sehe ich dann auch keine Markierungen mehr.

An diesem Punkt mache ich eine kurze Pause. Klar, ich bin hier definitiv nicht auf dem offiziellen Weg zum Sapphire Beach. Aber jetzt alles wieder zurücklaufen? Jetzt da ich noch weiter weg bin, habe ich dazu noch viel weniger Lust als vorhin. Außerdem muss dieser blöde Strand doch jetzt wirklich jeden Moment vor mir sein.

Ich überlege kurz, was ich machen soll. Das wichtigste ist: cool bleiben, sich nicht verrückt machen lassen und einfach in eine Richtung weiterlaufen, bis man irgendwo rauskommt. So groß ist die Insel ja auch nicht.

Übersichtskarte von Ko Mook. Das blaue Häuschen ist der Viewpoint, der Strand links daneben mein Ziel.

Wie man sich im Dschungel verläuft: Anleitung für Anfänger

Leider ist das leichter gesagt als getan. Je dichter der Wald wird, desto schwieriger ist es, eine gerade Linie zu halten. Selbst wenn ich das gerne möchte, muss ich mich immer häufiger zwangsläufig an den Stellen orientieren, wo ich gerade noch so durchschlüpfen kann.

Also krabbele ich so gut es geht durchs Unterholz. Ducke mich unter dornenbesetzen Ranken, wate mit meinen Sandalen durch Bäche und klettere auf der anderen Seite über glitschige Steine wieder hoch.

Und genau auf diese Weise habe ich mich in kürzester Zeit verlaufen.

Eigentlich ist die Erklärung dafür ziemlich einfach: Ich denke zwar, ich würde die ganze Zeit in eine Richtung gehen. In Wirklichkeit nehme ich aber immer genau die freien Stellen, die sich gerade vor mir auftun. Und weil es in dem ganzen Dickicht keine Orientierungspunkte gibt, kann ich überhaupt nicht abschätzen, wohin ich gerade laufe.

In diesem Moment ist mir das aber noch nicht klar. Ich bin mir sicher, dass ich immer schön geradeaus weiter gehe. In Wirklichkeit mache ich wahrscheinlich permanent Schleifen und laufe vielleicht sogar im Kreis herum, während ich den stachelbesetzten Palmenblättern und umgefallenen Baumstämmen ausweiche.

Am Bach ist das Dickicht zumindest nicht ganz so dicht.

Mit Google Maps durch den Urwald

Die GPS-Funktion meines iPhones ist bei all dem komplett nutzlos. Ich habe zwar glücklicherweise eine wasserdichte Hülle dabei, und checke alle paar Minuten meine Position. Aber vergeblich. Der Punkt springt wild hin und her, ist mal vor mir, dann wieder weit hinten. In dem dichten Blätterwerk hat das Signal offenbar keine Chance durchzukommen.

Ein weiteres Problem: Im Dschungel kann man nicht einfach herumspazieren wie in einem deutschen Mischwald. Das Unterholz ist so dicht, dass ich manchmal fast auf allen Vieren über den Boden kriechen muss, weil sonst kein Fortkommen möglich ist.

Dazu kommen die feuchte Luft, schlechte Sicht und ein ständiges Auf- und Ab. Den Boden kann ich an einigen Stellen überhaupt nicht sehen. Manchmal versinke ich geradezu zwischen den Pflanzen und muss mich erst wieder freikämpfen und mühsam meine Beine von den Ranken befreien.

Interessanterweise begegnen mir bis auf Spinnen und ein paar Schmetterlinge überhaupt keine Tiere. Bei dem Lärm, den ich mache habe die wahrscheinlich alle längst die Flucht ergriffen. Aber ehrlich gesagt, bin ich in diesem Moment auch viel zu durchgeschwitzt, um mir über Schlangen und giftige Insekten den Kopf zu zerbrechen.

Während ich durch den Wald laufe, verliere ich völlig das Zeitgefühl. Irgendwann schaue ich auf die Uhr und merke, dass Stunden vergangen sind. Es ist bereits nach vier Uhr und um sechs wird es dunkel. Ich bin dem Strand offensichtlich kein Stückchen nähergekommen bin.

Ich habe mich im Dschungel verlaufen.

Dass die Insel in Wirklichkeit nur einen Umfang von ein paar Kilometern hat, ist mitten im Dschungel keine große Hilfe.,

Wie ich es doch noch zurück in die Zivilisation geschafft habe

Was tun?

So wie bisher weiterlaufen bringt offensichtlich nichts. Mein Handy zeigt mir zwar an, dass der Strand nur noch ein paar hundert Meter weiter westlich ist. Aber darauf will ich mich nicht mehr verlassen. Als ich ein weiteres Bachbett erreiche, beschließe ich dem Verlauf zu folgen. Schließlich fließt Wasser immer in Richtung Meer.

Das Bachbett wird zunehmend steiler. Auf dem Bergrücken vorhin habe ich gesehen, dass der Wald teilweise bis an direkt die Steilküste reicht. Es ist ein Glücksspiel. Gut möglich, dass ich irgendwann an einer Klippe herauskomme.

Aber nach alldem, habe ich das erste Mal an diesem Tag Glück. Nach ein paar hundert Metern höre das Rauschen der Wellen. Ganz leise, aber kein Zweifel. Ich bin in der Nähe.

Ich verlasse den Bach, schlage mich wieder in das Unterholz und folge dem Geräusch der Wellen. Schon nach wenigen Metern wird das Unterholz lichter. Vor mir sehe ich Kokospalmen, die sich im Wind wiegen. Noch ein letztes Gebüsch und dann spüre ich den warmen Sand unter meinen Füßen.

Der Strand war ehrlich gesagt ein bisschen enttäuschend, aber zumindest für die Aussicht hat es sich gelohnt.

Ich lasse mich erschöpft fallen. Es ist kurz nach 5 Uhr. Alles ist gut gegangen und ich habe es doch noch geschafft.

Am Strand sind außer mir ein paar Holländer, die mich etwas verdutzt anschauen, wie ich plötzlich aus dem Unterholz auftauche. Ungläubig hören sie mir zu, als ich ihnen erzähle, wie ich hierhergekommen bin.

Dann deuten sie auf die Öffnung zwischen den Bäumen und ich sehe den Wegweiser zurück ins Dorf. Ich bin wahrscheinlich die ganze Zeit nur ein paar hundert Meter neben dem Weg gelaufen.

Das ist übrigens der offizielle Weg zum Sapphire Beach:)

5 Lektionen, die auf diesem kleinen Abenteuer im Dschungel gelernt habe

Eigentlich toll an solchen Erlebnissen finde ich, dass man (zumindest meistens) ein Stückchen schlauer zurück kommt. Ich hatte vor diesem kurzen Trip in den Dschungel von Ko Mook immer über die Warnungen geschmunzelt, nicht einfach so alleine loszuziehen. Inzwischen kann ich das ein bisschen besser nachvollziehen.

Als ich wieder zurück in meinem Bungalow war, habe ich mir diese 5 Punkte gut für zukünftige Dschungel-Exkursionen gemerkt.

  1. Man kann sich selbst in sehr kleinen Gebieten verlaufen. Ko Mook hat eigentlich nur einen Durchmesser von ein paar Quadratkilometern. Aber mitten im Urwald spielt das keine Rolle, weil das Dickicht wie ein Labyrinth ist.
  2. Ohne Kompass ist es so gut wie unmöglich sich zu orientieren. Es gibt keine Orientierungspunkte in der Ferne, an die man sich halten kann. Das macht es auch schwierig Entfernungen abzuschätzen. Smartphones bieten im Dschungel keine große Hilfe bei der Navigation.
  3. Wenn man sich einmal verlaufen hat, vergeht die Zeit schneller – zumindest subjektiv. Ehe ich mich versehen habe, war der Tag fast vorbei, obwohl ich morgens gestartet bin. Noch ein bisschen länger und ich hätte im Dschungel übernachten dürfen.
  4. In Grenzsituationen hilft es einen kühlen Kopf zu bewahren. Selbst als mir klar war, dass ich mich völlig verlaufen habe, bin ich nicht durchgedreht. Stattdessen habe ich einfach überlegt, was ich sinnvollerweise als nächstes machen kann.
  5. Niemals die Hinweise der Einheimischen ignorieren. Der Thailänder, den ich unterwegs an dem Viewpoint gesehen habe, wusste wahrscheinlich ganz genau, was für ein Blödsinn meine Idee war und wollte mir das auf seine Art wohl auch sagen. In diesem Moment hätte ich mich mal besser daran erinnert, dass die Thailänder häufig zu höflich sind, um direkt „Nein“ zu sagen.

Alles in allem war dieser kleine Trip in den thailändischen Dschungel für mich aber eine interessante Erfahrung. Nicht nur, weil es etwas völlig anderes ist, als im Rahmen einer geführten Tour durch den Wald zu laufen. Sondern auch, weil man in solchen Situation seine persönlichen Grenzen ein bisschen austesten kann.

Was mir aber vielleicht am besten in Erinnerung geblieben ist: Ich habe kein bisschen Müll im Dschungel gesehen. Ko Mook ist mit Abstand der zugemüllteste und dreckigste Ort, den ich in Thailand angetroffen habe. Umso schöner, dass sich die Natur selbst hier noch behaupten kann.

Hast du schon einmal etwas Ähnliches erlebt? Und was hast du dann in dieser Situation gemacht. Schreib mir einen Kommentar – ich bin gespannt auf deine Erlebnisse!