Dieser Beitrag ist Teil 8 einer 18-teiligen Artikelserie über meine Wanderung auf dem Three Passes Trek durch die Everest Region.
Route: Lobuche (4.920 m) – Gorak Shep (5.140 m) – Everest Basecamp (5.364 m) – Lobuche (4.920 m)
- Länge: 5 km bis Gorak Shep, zum Everest Basecamp und zurück + 7 km
- Höhenmeter: + 275, – 35 hm
- Übernachtung: Yeti Inn
Charakter: Relativ leichte Wanderung entlang des Khumbu-Gletschers, teilweise durch Moränen und Geröllfelder. Nur geringe Höhenunterschiede, aber in der großen Höhe läuft man langsamer als gewohnt. Ein guter Tag zum Entspannen nach dem harten Pass.
- Schwierigkeit nach SAC: T3
- Dauer: ca. 2 – 3 Stunden, mit Everest Basecamp ca. 4 Stunden zusätzlich
Nach dem Gewaltmarsch gestern lasse ich es etwas ruhiger angehen. Ich starte gegen 9:00 Uhr, bis zum nächsten Etappenort Gorak Shep sind es nur 5 Kilometer. Da ich jetzt wieder auf der Hauptroute des Everest Basecamp Treks bin, ist entsprechend viel los. Es ist eine wahre Völkerwanderung, die sich zwischen den Eisriesen in Richtung Basecamp schiebe. Ich versuche es zumindest ein Stück weit auszublenden und mich auf die beeindruckende Landschaft zu konzentrieren.
Start der Wanderung auf einem breiten, ausgetretenen Weg hinter Lobuche:
Blick zurück nach Lobuche. Dahinter erhebt sich der Cholatse, den ich morgen aus der Nähe kennenlernen werde:
Der Weg führt schnell auf die Seitenmoräne hinauf und verläuft dann lange Zeit direkt am Khumbu-Gletscher entlang:
Es ist schon ein imposanter Anblick, der Khumbu-Gletscher, dieser gigantische Strom aus Eis und Schutt. Eine endlose graue Walze aus Geröll, aber mehr noch: Eigentlich sehe ich hier tiefgefrorene Zeit. Unaufhaltsam, immer in Bewegung, aber unendlich langsam. So langsam, dass in diesen Zeiträumen Planeten geboren werden und verglühen, ganze Zivilisationen aufblühen und wieder vergehen. Zeit in ihrer geologischen Dimension. Ein Maßstab, der unser menschliches Fassungsvermögen völlig übersteigt.
Kurz vor dem Lobuche Pass, eigentlich nur ein kleiner Sattel, geht es kurz steil bergauf, was mich aus meinen Gedanken reißt. Viele der Basecamp-Wanderer stöhnen, nicht alle sind gut akklimatisiert. Mancher Guide muss seinen Kunden auch ein bisschen anschieben. Etliche Leute hier haben noch nie eine größere Wanderung gemacht, schon gar nicht in diesen Höhen. Warum man dann gleich zum Everest latscht und nicht erstmal eine Nummer kleiner anfängt? Tja… gute Frage.
Kleiner Stau beim Aufstieg zum Lobuche Pass:
Schöner Blick auf den Nuptse von der Passhöhe:
Am Ende schaffen es alle ohne größeren Zwischenfälle nach oben und wir werden gebührend belohnt: Auf der Passhöhe bietet sich ein herrlicher Panoramablick auf den Nuptse (7.861 m), einen der Nachbarberge des Everest. Den König selbst kann ich in dem Reigen aus überlebensgroßen Riesenbergen nur erahnen. Aber er muss sich nicht zeigen, man spürt ihn auch so: In den erwartungsvollen Blicken der Trekker, im angestrengten Absuchen des Horizonts. Alles dreht sich um eines.
Nach dem Pass wird der Weg kurzzeitig etwas schwieriger, da er den Rand des Gletschers streift:
Im munteren Auf und Ab geht es durch die mächtigen Schuttberge der Moränen:
Eine halbe Stunde später erreiche ich dann Gorak Shep. Ein winziger, etwas trostloser Ort in einem öden, sandbedeckten Tal. Die Lodges sind gerammelt voll, in der Luft liegt eine Stimmung zwischen Langeweile und angespanntem Warten. Mich erinnert es an den Wartesaal eines Flughafens, was aber auch irgendwie passt. Außer wandern, essen und schlafen kann man hier nicht viel machen.
Ankunft in Gorak Shep:
Ich muss mehrere Lodges abklappern, bis ich einen Schlafplatz im „Yeti Inn“ finde. Die Zimmer ähneln eher einer Gefängniszelle und sind genau so groß, dass ein Bett, ich und mein Rucksack hineinpassen. Fließendes Wasser gibt es hier oben natürlich nicht. In der Nacht würden die Leitungen sofort gefrieren. Die Katzenwäsche erfolgt an einem großen Faß, das Wasser muss extra aus Lobuche rangeschafft werden.
Das ist alles nicht sehr bequem. Andererseits grenzt es aber fast schon an ein Wunder, dass an einem so abgelegen Ort überhaupt eine touristische Infrastruktur existiert – vor allem für diese Masse an Leuten. In jedem anderen Teil der Welt wäre Gorak Shep kein Ort, sondern ein provisorisches Zeltlager. Hier bekommt man tatsächlich noch eine warme Dusche, wenn man das denn möchte.
Wegweiser zum Everest Basecamp, das Camp ist etwa zwei Stunden von Gorak Shep entfernt:
Der Weg zum berühmtesten Zeltlager der Welt:
Träger auf dem Weg zum Everest Basecamp:
Da ich noch den halben Tag Zeit habe, mache ich mich direkt zum Everest Basecamp auf. Der Weg führt zunächst durch das breite Tal nach Norden, später geht es dann wieder entlang der Moränen. Es sind eigentlich nur drei Kilometer, aber es zieht sich. Durch die Masse an Leuten muss ich auch häufig überholen oder an Engstellen warten. Daher brauche ich zwei Stunden, dann sehe ich es vor mir: Das berühmteste Basecamp der Welt.
Ankunft im Everest Basecamp:
Es wäre ziemlich einfach, sich über den Massentourismus am Everest aufzuregen. Und es gäbe auch genug Gründe. Trotz allem… in diesem Moment überwiegt bei mir ein Gefühl des unschuldigen Staunens. Das Everest Basecamp ist eine richtige kleine Stadt aus bunten Zelten, die hier den Schotterfeldern und den Eismassen des Khumbu-Gletschers trotzt. Ein Außenposten der Menschheit an einem der vielleicht unwahrscheinlichsten Orte des Planeten.
Was mich vor allem überrascht ist die schiere Größe. Das Basecamp zieht sich den ganzen oberen Teil des Gletschers entlang. Das müssen hunderte von Zelten sein. In jedem dieser Zelte wohnen Leute. Und alle diese Leute wollen jeden Tag essen, trinken und aufs Klo gehen. Das alles zu am Laufen zu halten ist keine Kleinigkeit. Und vielleicht auch der Grund warum hier im Minutentakt die Helikopter landen.
Schlangestehen beim Eingang zum Everest Basecamp. Jeder will ein Foto haben:
Bis zu dem berühmten Stein, der den Eingang zum Basecamp markiert, muss ich zunächst absteigen und laufe an einem faszinierend geformten Gletschersee vorbei. Dann bin ich da. Der Stein liegt immer noch da, wie man das von den Fotos kennt. Seit 2024 hat man aber auch ein großes Schild mit den Fotos der Erstbesteiger Hillary und Tenzing hingestellt. Das hat nicht allen gefallen und in dieser gewaltigen Landschaft wirkt es auch ein bisschen unpassend, wie eine billige Reklametafel.
Okay, wenn ich schon mal hier bin…
Nachdem ich das obligatorische Erinnerungsfoto gemacht habe, will ich mir das Camp noch ein bisschen genauer anschauen. Eigentlich sehen die Bergsteiger es nicht so gerne, wenn Trekker hier herumspazieren, weil diese Krankheiten ins Camp bringen. Aber es sagt auch niemand was, als ich dem Pfad folge. Es sind eh so viele Leute unterwegs, dass ich nicht weiter auffalle.
Blick über das Everest Basecamp:
Beim Spaziergang durch das Camp:
Es gibt immer was zu tun, z.B. Eishacken, das dann zum Schmelzen von Wasser zu verwendet wird:
Unterwegs komme ich zufällig mit zwei Jungs aus Deutschland ins Gespräch. Zuerst denke ich, dass es Trekker sind. Aber nein… das sind echte Bergsteiger, die auf den Gipfel wollen. Die beiden sind gerade mit ihrem Guide angekommen und werden die nächsten 60 Tage hier verbringen. Zwei Monate, die praktisch nur aus Schlafen, Akklimatisierungs-Wanderungen und Rotationen durch die verschiedenen Höhen-Camps bestehen. Außerdem hoffen, dass am Ende das Wetter passt. Eine Garantie für den Gipfelerfolg gibt es nicht.
Natürlich muss ich die Frage stellen: „Warum bitteschön tut man sich das freiwillig an?“ Die Antwort überrascht mich. Nicht aus einem Gefühl, den Berg bezwingen zu müssen oder einen persönlichen Rekord aufzustellen. Nein, sondern einfach, um besser mit dem „normalen“ Leben klarzukommen. „Jedes Mal, wenn ich auf einen hohen Berg steige und wieder unten bin, kommt mir alles andere so leicht vor.“ Bergsteigen als eine Form von Alltagsbewältigung? Na gut… wir haben alle unsere Methoden. Wer bin ich, zu beurteilen, welche davon die bessere ist?
Eingang zum berüchtigten Khumbu-Eisfall, der Start des Wegs zum Gipfel des Everest:
Irgendwann trennen sich unsere Wege wieder. Ich schaue mir noch den Eingang zum Khumbu-Eisfall an. Man könnte hier tatsächlich einfach so den Gletscher hochlaufen, es würde einen wahrscheinlich niemand aufhalten. Ein paar Meter marschiere ich an einem Fixseil lang, überquere einen gefrorenen Bach. Als es dann steil wird, kehre ich aber lieber wieder um. Die riesigen Eismassen um mich herum sehen nicht gerade vertrauenserweckend aus.
Letzter Blick auf die Zelte im Everest Basecamp:
Ein einziges Kommen und Gehen, wahrscheinlich ist das hier jeden Tag so:
Der gefrorene See kurz vor dem Eingang zum Camp:
Goodbye, Everest Basecamp…
Zwei Stunden nach meinem Ausflug bin ich wieder in Gorak Shep. Das war es also, das berühmteste Basecamp der Welt. Schon ein verrückter Ort. Aber sich zwei volle Monate in dieser Einöde aufhalten – eine ziemlich deprimierende Vorstellung. Wobei mir der Bergsteiger vorhin noch erzählt hat, dass viele nach der Hälfte der Zeit mit dem Heli nach Namche und später wieder zurück ins Camp fliegen. Anders hält man es wahrscheinlich auch nicht aus.
Vor dem Einschlafen fällt mir auf, dass ich noch gar kein Foto vom Everest gemacht habe. Naja, vielleicht morgen…
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