Dieser Beitrag ist Teil einer 18-teiligen Artikelserie über meine Wanderung auf dem Three Passes Trek durch die Everest Region.
Route: Dzonghla (4.830 m) – Cho La (5.420 m) – Dragnag (4.700 m)
- Länge: 9 km
- Höhenmeter: + 660, – 825 hm
- Übernachtung: Tashi Delek Lodge
Charakter: Alpinwanderung mit Gletscherüberquerung und Eiskontakt, bei guten Bedingungen aber unkritisch. Der Weg ist durchweg markiert, potentielle Spaltenzonen auf dem Gletscher werden weiträumig umgangen. Steilere Abschnitte sind mit Drahtseilen versichert, die Wegfindung ist überwiegend unkompliziert.
- Schwierigkeit nach SAC: T4
- Dauer: ca. 6-7 Stunden
Pass Nummer 2, der berüchtigte Cho La. Heute geht es also über den Eis-Gletscher… Das kann was werden. Ich starte trotzdem erst gegen 8:00 Uhr, der Weg ist kürzer und auch nicht so steil. So viel konnte ich der Karte bereits entnehmen. Vor dem Start werde ich allerdings noch Zeuge eines kleinen Dramas. Dem Mädel aus der Gruppe der Tschechen geht es miserabel: Sie hat kaum geschlafen, ihr ist kalt und nach mehr als einer Woche über 4.500 Metern hat sie die tägliche Plackerei, die ewige Kälte und den Dreck auch einfach ein bisschen satt. Sie will nicht mehr weitergehen.
Ich kann es ihr nicht verdenken. Der Everest ist ein strenger Herrscher über ein unbarmherziges Reich. Es ist ein hartes Land, nicht für den Menschen gemacht. Bis auf die monumentalen Berge gibt es nur wenig, was das Herz erfreut. Vielleicht braucht es den grenzenlosen Idealismus eines Buddhisten – oder zumindest eine gewisse Sturheit des Charakters – um das auf Dauer zu ertragen… Die drei beratschlagen kurz und entscheiden, dass sie erstmal einen Tag Pause machen und dann weiter schauen. Ich drücke die Daumen und sehe zu, dass ich den Pass erreiche, bevor meine Moral auch noch kippt…
Der erste Teil der Wanderung führt in leichtem Auf und Ab durch eine Art Hochmoor aus kleinen Tümpeln und Bächen:
Viele davon sind am Morgen noch gefroren, die Eiskristalle funkeln in der Morgensonne:
Alle paar hundert Meter ist der Weg mit gelben Stangen markiert. Bei guter Sicht kann man sich immer von einer Stange zur nächsten hangeln:
Dieser erste Abschnitt der Wanderung ist angenehm, da ich für knapp zwei Kilometer fast gar keine großen Anstiege habe. Schließlich erreiche ich das Ende des Tals, hier folgt dann der erste etwas steilere Aufstieg durch ein Geröllfeld entlang einer felsigen Flanke. Das bringt meinen Puls schön auf Touren, es sind aber nur knapp 100 Höhenmeter. Im Vergleich zum Kongma La relativ harmlos.
Nach dem Anstieg kommt weiter oben die zerklüftete Gebirgskette in Sicht, über die der Pass führt. Davor geht es durch ein langgezogenes Hochtal, das im weiteren Verlauf zunehmend felsiger wird. Am Ende muss ich eine weitere kurze Steilstufe überwinden. Auch hier ist der Weg aber breiter und längst nicht so steil wie beim vorigen Pass. Und dann ist es auch schon geschafft. Der Gletscher, der zum Cho La führt, breitet sich vor mir aus.
Es ist ein echter Gletscher, vor dem ich jetzt stehe, nicht bloß ein großes Schneefeld. Riesig groß, ein breites weißes Band zwischen den grauen Berghängen. Am höchsten Punkt dürfte das Eis bestimmt 30 oder 40 Meter dick sein. Auf der Oberfläche laufen ein paar Leute, winzig klein, wie eine Ameisen-Kolonne. Der Rand ist etwas zerklüftet, Spalten sehe ich aber keine. Also dann… Microspikes angelegt und los geht’s!
In Leichtwanderschuhen über einen Himalaya-Gletscher. Nicht unbedingt zum Nachmachen empfohlen, aber mit den Spikes war es okay…
Der Aufstieg zum Gletscher ist ein bisschen steiler. Es ist aber harmloser, als es im ersten Moment aussieht:
Beim Einstieg treffe ich Altais, eine französische Trekkerin, die ich vor ein paar Tagen auf dem Weg zum Chukung Ri kennengelernt habe. Die einzige Person auf dem ganzen Trek übrigens, die wie ich alleine unterwegs ist. Da wir jetzt schon mal zusammen hier sind, gehen wir gemeinsam über den Gletscher. Der erste Teil ist ziemlich steil, hier müssen wir querfeldein durch das scharfkantige Eis hochkraxeln. Danach wird es aber schnell flach und das bleibt für den Rest der Strecke bis zum Pass auch so.
Es ist schon ein etwas merkwürdiges Gefühl über einen Gletscher zu laufen. Das Eis unter meinen Schuhen knirscht, manchmal muss ich kleine Schmelzwasserbäche überqueren. Von offenen Spalten ist aber weit und breit keine Spur. Auch nicht auf der rechten Seite, wo zumindest auf der Karte eine Spaltenzone eingezeichnet ist. Wir orientieren uns mit Hilfe der Stangen, die im Abstand von etwa 20 Meter im Eis stecken. Bei klarer Sicht kein Problem. Bei schlechtem Wetter oder starkem Schneefall… vielleicht keine ganz so tolle Idee.
Überquerung des Cho-La-Passgletschers im oberen Teil. Der felsige Einschnitt hinten ist der Pass:
Wieder eine etwas steilere Stelle kurz vor der Passhöhe:
Hier ist der Weg mit Drahtseilen gesichert, man läuft meistens über grobe Felsstufen nach oben:
Ein knappe Dreiviertelstunde nach dem Start sind wir auch schon oben am Pass. Der letzte etwas felsige Aufschwung führt steil über natürliche Treppenstufen, ist aber mit Drahtseilen gesichert. Kein großes Hindernis. Auf der Passhöhe herrscht ziemliche Volksfeststimmung, es sind bestimmt 30 oder 40 Leute hier oben. Kein Vergleich zum einsamen Kongma La. Aber hier sind eben auch Gruppen unterwegs, die vom Everest Basecamp ins Gokyo-Tal und von dort zurück nach Namche laufen.
Auf der Passhöhe des Cho La. Das Ding in der Mitte ist eine solarbetriebene Ladestation für Handys. Kein Scherz…
Die Ladestation auf dem Pass finde ich wirklich schräg. Die Besitzerin der Lodge in Dzongla hatte mir das schon erzählt und ich wollte es zuerst nicht glauben. Warum pflanzt man sowas bitteschön hier hin, auf einen über 5.000 Meter hohen Gebirgspass mitten im Nirgendwo, und nicht in einem der Orte, wo man stattdessen teures Geld für das Laden der Geräte zahlen muss? Das konnte mir die gute Frau auch nicht sagen. Aber zumindest nutze ich die Gelegenheit bei der Pause, um mein Handy ein bisschen aufzuladen. Danach geht es an an den langen Marsch ins Gokyo-Tal.
Blick zurück auf den Anmarschweg über den Gletscher:
Der Abstieg auf der Westseite des Cho La in Richtung Gokyo-Tal ist etwas steiler, aber komplett eisfrei:
Blick in Richtung Passhöhe von weiter unten:
Der Abstieg führt im oberen Teil über einige recht abschüssige Felsplatten. Auch hier sind wieder Drahtseile zur Sicherung befestigt, an denen man sich festhalten kann. Ich vermute, die sind in erster Linie nicht für die Trekker, sondern für die Träger, die sich mit teilweise riesigen Packsäcken auf dem Rücken hier runter quälen müssen. Das steile Stück ist zum Glück nur kurz, etwa 150 Höhenmeter. Dann wird es schnell flacher, der Weg führt nun durch eine schotterbedeckte Moränenlandschaft.
Ich bin ein bisschen schneller als meine neue Bekannte, also trennen wir uns wieder. Das letzte Stück zieht sich tatsächlich noch ein gutes Stück, obwohl es auf der Karte wie ein Katzensprung aussieht. Schnell kommt eine Hügelkette in Sicht, dahinter eine weitere. Und natürlich führt der Weg immer schön genau über den höchsten Punkt dieser Hügel. Allein schon bis zum ersten Anstieg dauert es wieder. Diese Landschaften sind einfach zu groß. Es fällt schwer, die Entfernungen abzuschätzen.
Endloser Marsch durch die Pampa hinter dem Pass:
Diese Hügel darf man alle hoch und runter laufen. Etwas nervig, nachdem man den Pass schon hinter sich hat:
Von der letzten Hügelkette blicke ich in einen Canyon, am unteren Ende sehe ich das nächste Dorf, Dragnag. Endlich!
Bis ich ankomme, dauert es noch eine gute Stunde. Am Ende brauche ich insgesamt knapp 3,5 Stunden vom Pass bis nach Dragnag. Die „Tashi Delek Lodge“ direkt am Ortseingang sieht einladend aus. Theoretisch könnte ich jetzt noch bis Gokyo weiterlaufen, Zeit wäre noch. Aber dazu müsste ich den Ngozumpa-Gletscher überqueren, den größten Gletscher der Khumbu-Region. Nein danke, kein Bedarf. Eine Gletscherüberquerung pro Tag reicht.
Also bleibe ich den Rest des Tages in der Lodge und quatsche mit einem sehr netten spanischen Ehepaar aus Madrid, die heute aus Gokyo rübergelaufen bin. Das ist eine Sache, die mir an den kleineren Lodges auf dem Three Passes Trek gut gefällt: Man kommt schneller mit den Leuten ins Gespräch, die Atmosphäre ist gleich viel persönlicher als mit den riesigen Gruppen. Die beiden meinen, sie hätten drei Stunden bis Gokyo gebraucht. Morgen wird also ein kurzer Tag. Ich kann nur hoffen, dass die Überquerung nicht so mühselig wie auf dem Khumbu-Gletscher wird…
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